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LESEJAHR C

Die Fastenzeit

PALMSONNTAG

 

Feier des Einzugs Christi in Jerusalem
Zur LeseordnungEVANGELIUM   Lk 19,28-40
 
Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
 
In jener Zeit
28 ging Jesus nach Jerusalem hinauf.
29 Als er in die Nähe von Betfage und Betanien kam, an den Berg, der Ölberg heißt, schickte er zwei seiner Jünger voraus
30 und sagte: Geht in das Dorf, das vor uns liegt. Wenn ihr hineinkommt, werdet ihr dort einen jungen Esel angebunden finden, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Bindet ihn los, und bringt ihn her!
31 Und wenn euch jemand fragt: Warum bindet ihr ihn los?, dann antwortet: Der Herr braucht ihn.
32 Die beiden machten sich auf den Weg und fanden alles so, wie er es ihnen gesagt hatte.

Betfage war der Ort der Priester beim Ölberg; auch der Ort Betanien - oder besser das kleine Landgut - befand sich am Fuß desselben Berges, etwa fünfzehn Stadien von Jerusalem. (Beda)

Darin aber zeigte sich auch, was eine göttliche Berufung ist: Denn niemand kann widerstehen, wenn Gott etwas zu seiner Sache macht. Die Jünger, denen befohlen wurde, das Eselsfohlen wegzuführen, wiesen diese Aufgabe nicht als geringfügig zurück, sondern gingen weg, um das Fohlen zu ihm zu führen. (Titus)

33 Als sie den jungen Esel losbanden, sagten die Leute, denen er gehörte: Warum bindet ihr den Esel los?
34 Sie antworteten: Der Herr braucht ihn.
35 Dann führten sie ihn zu Jesus, legten ihre Kleider auf das Tier und halfen Jesus hinauf.
36 Während er dahinritt, breiteten die Jünger ihre Kleider auf der Straße aus.

Die den Esel angebunden hatten, verstummten aber vor der herausstehenden Wirkmacht und wollten den Worten des Heilands nicht widerstehen. Denn es folgt: "Als sie den jungen Esel losbanden, sagten die Leute, denen er gehörte: Warum bindet ihr den Esel los? Sie antworteten: Der Herr braucht ihn." Hochehrwürdig ist nämlich die Bezeichnung "Herr", denn er war ja der König, der vor aller Augen kommen sollte. (Titus)

Die Jünger haben Christus nicht nur auf dem fremden Fohlen gehuldigt, sondern auch mit Hilfe ihrer eigenen Kleider, die sie teils auf den Esel legten, teils auf dem Weg ausbreiteten. (Glossa)

Mystisch verstanden: Der Herr kommt zum Ölberg, um neue Ölbäume in erhabener Wahrheit zu pflanzen. Vielleicht ist auch Christus selbst der Berg: Wer anders nämlich brächte solche Früchte der reifen Ölbäume im Heiligen Geist hervor? (Ambrosius)

Sie waren im Dorf, und dort stand das Fohlen angebunden mit der Eselin, und es konnte nicht losgebunden werden außer auf Befehl des Herrn.Die Hand der Apostel bindet es los. Was für eine Tat, was für ein Leben, was für eine Gnade! Sei auch so, damit du die Gebundenen losbinden kannst. In der Eselin sah der Evangelist Matthäus gleichsam die Mutter des Irrtums. Hier aber drückt Lukas in dem Fohlen die Allgemeinheit des Heidenvolkes aus. Und er sagt richtig "auf dem noch niemand gesessen hat," weil niemand vor Christus die Heidenvölker zur Kirche berufen hat. Es wird angebunden gehalten von den Fesseln der Treulosigkeit, und es ist dazu bestimmt, dem Irrtum als ungerechten Herrn zu dienen. Es konnte sich aber nicht selbst befreien, weil nicht die Natur, sondern die Schuld ihm einen solchen Herrn gegeben hatte. Als es aber heißt "der Herr", da wird der eine [wahre] Herr erkannt. Es ist eine elende Knechtschaft, die ein unstetes Herrschaftsrecht hat: Denn viele Herren hat der, der den einen nicht hat. Die fremden Herren binden ihn mit Fesseln, um ihn zu besitzen, dieser Herr aber löst die Fesseln, er ihm gehört, denn er kennt wirksamere Gaben als Fesseln. (Ambrosius)

Die Jünger, die geschickt werden, das Fohlen loszubinden, haben nicht ihre eigenen Worte gebraucht, sondern haben so gesprochen, wie Jesus zu ihnen gesprochen hatte. So sollst du erkennen, daß du nicht aufgrund deiner Predigt, sondern durch das Wort des Herrn, daß du nicht im eigenen, sondern in Christi Namen den Völkern den Glauben eingießt und daß die feindlichen Mächte, die auf die Gefolgschaft der Heidenvölker Anspruch erhoben, auf göttlichen Befehl weichen. (Ambrosius)

Danach legen die Jünger ihre Kleider auf den Esel und ließen den Heiland sich setzen. Das taten sie, indem sie die Predigt des Herrn aufnahmen und sie dann gewissermaßen auf die Seelen der Hörer legen. Sie entledigen sich ihrer Kleider und breiten sie auf dem Weg aus, denn die Kleider der Apostel sind ihre guten Werke. Und so ist der Esel tatsächlich von den Jüngern losgebunden worden und schritt Jesus tragend über die Kleider der Apostel; dann nämlich, als er ihre Lehre und ihr Leben nachahmte. Wer von uns ist so glücklich, daß auf ihm Jesus reitet? (Origenes)

37 Als er an die Stelle kam, wo der Weg vom Ölberg hinabführt, begannen alle Jünger freudig und mit lauter Stimme Gott zu loben wegen all der Wundertaten, die sie erlebt hatten.
38 Sie riefen: Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn. Im Himmel Friede und Herrlichkeit in der Höhe!

Solange der Herr auf dem Berg war, blieb er allein mit einzelnen Aposteln; als er sich aber auf den Weg hinunter machte, da begann ihm die Volksmenge entgegenzulaufen. (Origenes)

Jünger nennt er nicht nur die Zwölf oder die Siebzig, sondern alle die Christus folgen, sei es aufgrund der Wunder oder aufgrund irgendeines anderen Reizes seiner Lehre. (Theophylactus)

Sie hatten freilich viele Großtaten des Herrn gesehen, aber am meisten bewunderten sie die Auferweckung des Lazarus. Denn, wie Johannes sagt: Die Menge kam ihm entgegen, weil sie gehört hatte, daß er dieses Zeichen getan hatte. Es ist ja bemerkenswert, daß der Heiland damals nicht zum ersten Mal nach Jerusalem kam, sondern viele Male vorher hingekommen war, wie Johannes festhält. (Beda)

Die Menge nennt ihn also König, weil sie in ihm Gott erkennt, und indem sie bekennt, daß der Erwartete auch dem Fleisch nach Davidssohn sei, wiederholt sie die Prophezeiung. (Ambrosius)

"Im Namen des Herrn" bedeutet "im Namen Gottes des Vaters", obwohl man es auch als "in seinem eigenen Namen" verstehen könnte, weil er auch selbst Herr ist. Aber seine Worte, mit denen er sagt: "Ich komme im Namen meines Vaters", leiten unseren Verstand besser. Christus ist nämlich der Lehrmeister der Demut. Denn Christus wird nicht König genannt, um Tribut zu verlangen, ein Heer zu bewaffnen und die Feinde sichtbar bis zum Ende zu bekämpfen, sondern damit er den Geist leite und die Glaubenden in das Himmelreich führe. Daß Israel ihn zum König wollte, war nämlich ein Zeichen der Erniedrigung und kein Zuwachs an Macht. Weil aber Christus im Fleisch die Versöhnung der ganzen Welt hat anbrechen lassen, singen einstimmig Himmlische wie Irdische sich gegenseitig zu seinem Lob zu: Bei seiner Geburt singen die himmlischen Heerscharen (vgl. Luk 2,14); wenn er dem Himmel zurückgegeben wird, stimmen die Sterblichen sein Lob an. Daher folgt: "Im Himmel Friede". (Beda)

39 Da riefen ihm einige Pharisäer aus der Menge zu: Meister, bring deine Jünger zum Schweigen!
40 Er erwiderte: Ich sage euch: Wenn sie schweigen, werden die Steine schreien.

Der Herr ruft nicht die zur Ordnung, die ihm wie einen Gott huldigen, sondern mehr die, die sie tadeln, und legt von sich über die Herrlichkeit seiner Gottheit Zeugnis ab. Daher folgt: "Ich sage euch: Wenn sie schweigen, werden die Steine sprechen." (Cyrill)

"Wenn wir schweigen," das bedeutet, wenn die Liebe vieler erkaltet, dann schreien die Steine. Gott kann nämlich aus Steinen Söhne Abrahams erwecken. (Origenes)

Als der Herr vom Ölberg hinabsteigt, steigt auch das Volk hinab. Weil der Urheber der Barmherzigkeit erniedrigt wird, ist es denen, die der Barmherzigkeit bedürfen, nötig, in seine Fußstapfen zu treten. (Beda)

 
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Messe
Zur LeseordnungEVANGELIUM   Lk 22,14 - 23,56
 
Das Leiden unseres Herrn Jesus Christus
 
Das Leiden unseres Herrn Jesus Christus nach Lukas
 
14 Als die Stunde gekommen war, begab sich Jesus mit den Aposteln zu Tisch.

Die Stunde, das Pascha[mahl] zu essen, bezeichnet den vierzehnten Tag das ersten Monats, wenn die Abendstunde gekommen ist und der [Voll-]Mond des fünfzehnten Tages bereits erschienen ist. (Beda)

15 Und er sagte zu ihnen: Ich habe mich sehr danach gesehnt, vor meinem Leiden dieses Paschamahl mit euch zu essen.

Das sagt er deshalb, weil der geizige Jünger [d.h. Judas] die Zeit des Verrates ausgeforscht hatte; damit er ihn aber nicht vor dem Pascha-Fest verrate, hatte der Herr das Haus oder den Mann, bei dem er es abhalten wollte, nicht beschrieben. [...] (Cyrill)

Oder aber [...] er will sagen: dies ist für mich das letzte Mahl mit euch, und darum ist es mir so wertvoll, so wie die, die in die Fremde aufbrechen, den Ihren noch besonders liebe letzte Worte sagen. (Theophylactus)

Oder er sagt es, weil nach jenem Pascha sein Kreuz bevorsteht. Und wir finden es ja öfter [im Neuen Testament], daß er seine Passion verkündet und will, daß sie kommt. (Chrysostomus)

Oder noch einmal anders: Als der Herr das neue Pascha feierte, sagt er zu Recht, er habe sich danach gesehnt dieses Pascha zu essen - das heißt, das neue Sakrament des Neuen Bundes, das er den Jüngern anvertraute -, denn schon viele Propheten und Gerechte vor ihm hatten danach verlangt; er aber, weil er nach dem Heil aller dürstete, vertraute ihnen dieses [neue] Sakrament an, das der ganzen Welt zugute kommen sollte. Für das Pascha des Mose war es ja vorgeschrieben, daß es an einem einzigen Ort zu feiern ist, nämlich in Jerusalem, von daher war es für die Heiden nicht geeignet, und deshalb war es auch nicht das, wonach er sich sehnte. (Eusebius)

16 Denn ich sage euch: Ich werde es nicht mehr essen, bis das Mahl seine Erfüllung findet im Reich Gottes.

Der Herr anerkennt also das Pascha des [mosaischen] Gesetzes; und indem er lehrt, daß es sich auf ein Vorausbild [jenes Pascha], das er eingesetzt hat, bezieht, verbietet er [zugleich], daß es weiterhin fleischlich begangen wird; und deswegen fügt er hinzu: ich sage euch, daß ich nicht mehr davon essen werde, bis es seine Erfüllung findet im Reich Gottes. Das soll heißen: das Pascha des Mose werde ich nicht mehr feiern, bis in der Kirche sein geistlicher Sinn erfüllt wird. Sie [die Kirche], ist nämlich das Reich Gottes gemäß jenem [Schriftwort]: Das Reich Gottes ist mitten unter euch (Lk 17,21). Zu jenem alten Pascha aber, das er zur Vollendung bringen wollte,Lat.:cui finem desiderabat imponere - er wollte es zu seinem Voll-Sinn bringen, damit aber zugleich (in der alten Form) abschaffen. gehört auch, was er nun hinzufügt: Und er nahm den Kelch, sprach das Dankgebet und sagte: Nehmt den Wein, und verteilt ihn untereinander! Und er sagt deshalb Dank, weil das Alte vergehen wird und alles neue kommen sollte. (Beda)

17 Und er nahm den Kelch, sprach das Dankgebet und sagte: Nehmt den Wein, und verteilt ihn untereinander!

Denk daran, wenn du dich zu Tisch setzst, daß es sich für dich gehört, nach dem Essen zu beten. Daher sollst du dich in aller Nüchternheit sättigen, damit du, ohne [vom Essen] beschwert zu sein, das Knie beugen und Gott bitten kannst. Wir geben uns nach dem Essen nicht dem Bett, sondern dem Gebet hin: denn Christus hat [durch sein Tun] keinen Zweifel daran gelassen, daß auf die Speisen nicht der Schlaf und nicht das Bett, sondern das Gebet und die Lesung der Heiligen Schriften folgen soll. (Chrysostomus)

18 Denn ich sage euch: Von nun an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken, bis das Reich Gottes kommt.

Das kann man auch wörtlich verstehen, daß er von dieser Stunde des Mahls bis zur Zeit seiner Auferstehung, wenn er ins Reich Gottes kommt, keinen Wein mehr trinken würde: denn daß er danach, Speise und Trank zu sich genommen hat, bezeugt Petrus, wenn er sagt: Wir, die wir nach seiner Auferstehung von den Toten mit ihm gegessen und getrunken haben (Apg 10,41). (Beda)

Seine Auferstehung kann nämlich Reich Gottes heißen, weil er [dadurch] den Tod ausgelöscht hat. Deswegen sagt ja auch David: Der Herr ist König, er hat seinen Schmuck angelegt. (vgl. Ps 93,1), nämlich [den Schmuck] eines schönen Gewandes nach Jesaja, nachdem er den vergänglichen Körper abgelegt hatte. Nach der Auferstehung aber trank er wieder mit seinen Jüngern, um zu zeigen, daß die Auferstehung nicht ein Einbildung [der Jünger] ist. (Theophylactus)

Es ist noch um vieles folgerichtiger, daß er so, wie er das Essen des Lammes, das ein Vorausbild war, verweigerte, auch den Trank des Pascha-Mahles nicht mehr kosten wollte, bis die Herrlichkeit des Reiches Gottes offenbar geworden und die Welt zum Glauben gekommen war. Damit man durch diese Umwandlung der beiden größten Gebote des Gesetzes (die Speise und der Trank des Pascha-Mahles) in geistliche [Gebote] lernt, daß alle Sakramente des [mosaischen] Gesetzes so umzuwandeln waren, daß man ihnen [in Zukunft] auf geistliche Weise gehorcht. (Beda)

19 Und er nahm Brot, sprach das Dankgebet,

Nachdem die Feierlichkeiten des alten Pascha beendet waren, geht er zum neuen über, das die Kirche nach seinem Willen zum Gedächtnis der Erlösung durch ihn immer wieder begehen soll. Dabei ersetzt er das Fleisch und Blut des Lammes durch das Sakrament seines Fleisches und Blutes in der Gestalt von Brot und Wein. So wird er zum Priester auf ewig, nach der Ordnung Melchisedechs (Ps 110 (109),4). [...] und er spricht das Dankgebet, wie er auch über das alte Pascha, das zu Ende kommen sollte, Dank gesagt hatte. So gibt er uns ein Beispiel, daß zu Anfang und zu Ende eines jeden guten Werkes Gott die Ehre gegeben werden soll. (Beda)

brach das Brot

Er bricht selbst das Brot, das er ihnen reicht, um damit zu zeigen, daß sein TodWörtlich: das Brechen seines Leibes (fractio corporis). nicht ohne seinen Willen geschehen sollte (Beda)

und reichte es ihnen mit den Worten: Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.

Und zweifle nicht, daß das wahr ist, wo er selbst doch deutlich sagt: Das ist mein Leib! Vielmehr nimm diese Worte des Erlösers gläubig an. [...] Unvernünftig ist, wer sagt, daß das, worüber der sakramentale Segen gesprochen worden ist, nicht mehr heiligt, wenn Reste davon bis zum nächsten Tag übrigbleiben: der hochheilige Leib Christi verändert sich ja nicht, vielmehr ist die segensreiche Kraft und die lebensspendenden Gnade beständig in ihm. Denn die lebensspendende Kraft Gottes des Vaters ist sein eingeborenes WORT, das Fleisch geworden ist, wobei es nicht aufhört WORT zu sein, sondern das Fleisch wird [durch die Vereinigung mit dem Wort] lebensspendend. Wenn man in ein wenig Flüssigkeit Brot gibt, so bemerkt man, daß sie durch die Eigenschaft des Brotes aufgesogen wird. Auf dieselbe Weise wird das Fleisch lebensspendend, indem das lebendigmachende Wort sich mit ihm vereint. Und unser eigener Leib, wird er etwa nicht lebensspendend, wenn in uns das Leben Gottes ist, da das Wort Gottes in uns ist. Aber es ist etwas anderes, wenn wir den Sohn Gottes in uns haben auf die Weise des Teilhabens und wenn er selbst Fleisch geworden ist, d.h. wenn er den Leib, den er von der gnädigen Jungfrau bekommenWörtlich: genommen hat, zu seinem eigenen Leib machte. Es schickte sich als, daß er durch sein heiliges Fleisch und sein teures Blut [...] sich mit unseren Leibern vereint. Damit wir aber nicht erschrecken, wenn uns auf den heiligen Altären Fleisch und Blut vorgesetzt werden, überträgt erWörtlich: flößt er ein die Lebenskraft den Opfergaben, indem er sie in Wahrheit in sein eigenes Fleisch verwandelt, damit der lebendige Leib sich gleichsam als ein Leben schenkender Same in uns erweist. (Cyrill)

Tut dies zu meinem Gedächtnis!

Lerne aber, auf welche Weise man den Leib Christi essen soll: im Gedenken an den Gehorsam Christi bis zum Tod (vgl. Phil 2,8), damit, wer lebt, nicht mehr in sich lebt, sondern in dem, der für ihn gestorben ist und auferstand (vgl. Gal 2,20, Röm 8,34). (Basilius der Große)

Lukas berichtet von zwei Kelchen: über den einen sagt er oben: nehmt ihn und verteilt ihn untereinander (v. 17). Dieser - so sagt man - ist das Bild des Alten Testamentes. Den anderen verteilt er selbst an die Jünger, nachdem er das Brot gebrochen und ausgeteilt hatte. (Theophylactus)

20 Ebenso nahm er nach dem Mahl den Kelch und sagte: Dieser Kelch ist der Neue Bund in meinem Blut, das für euch vergossen wird.

Diesen Kelch nenne der Herr den Kelch des Neuen Bundes [...] Damit bedeutet er, daß das Neue Testament in seinem Blut den Anfang nimmt. Denn im Alten Testament war es das Blut von Tieren, das die Einsetzung des Gesetzes begleitete. Nun aber bezeichnet uns das Blut des WORTES Gottes das Neue Testament.
Wenn er sagt für euch, so heißt das nicht, daß der Leib Christi nur für die Apostel hingegeben und sein Blut [nur für sie] vergossen wurde, sondern daß es um der ganzen menschlichen Natur willen geschah. Das alte Pascha sollte aus der Knechtschaft Ägyptens befreien und das Blut des Lammes sollte die Erstgeborenen [vor der Tötung durch den Engel Gottes] bewahren; das neue Pascha dient zur Vergebung der Sünden, das Blut Christi aber zur Bewahrung derer, die Gott geweiht sind. (Theophylactus)

Dieses Blut nämlich bewirkt in uns, daß wir nach dem Bild des Königs gestaltet werden, es läßt nicht zu, daß der Adel der Seele [jemals wieder] welkt [...] (Chrysostomus)

[...] Weil aber wir in Christus und Christus in uns bleiben soll, wird dem Kelch des Herrn Wasser beigemischt; wie Johannes bezeugt: die vielen Wasser sind die Völker (Offb 17,15). (Beda)

Zuerst wird das Brot gegeben, als zweites der Kelch, denn bei den geistlichen Dingen kommt zuerst das mühevolle Werk, das dem Brot entspricht, nicht nur weil man im Schweiße seines Angesichtes arbeitet, sondern auch weil es schwierig ist, etwas zu trinken, während man noch ißt; später aber, nach den Mühen kommt die Jubel über die göttliche Gnade, das ist der Wein. (Theophylactus)

Damals aber teilten die Apostel [Brot und Wein] miteinander, nachdem sie gegessen hatten, denn zuerst mußte das Pascha, das das Vorbild [für das neue Pascha] ist, gegessen werden, um dann zu den Sakramenten des wahren Pascha überzugehen. Für heute aber haben die Lehrer der Kirche beschlossen, daß wir zur Ehre eines so großen Sakraments zuerst mit geistigen Speisen erquickt werden und danach erst mit geistlichen. (Beda)

Den ganzen Leib und Blut des Herrn nimmt auf, wer am Mahl teilnimmt, auch wenn er nur einen Teil von dem Sakrament empfängt. Denn so wie ein einziges Siegel seine ganze Gestalt verschiedenen Dingen einprägt und auch nach der Verteilung vollständig bleibt, und so wie eine einzige Stimme vielen zu Gehör kommt, so besteht auch kein Zweifel, daß der Leib und das Blut des Herrn in allen als Ganzes gefunden werden. Das Brechen des verehrungswürdigen Brotes aber bezeichnet die Passion. (Graecus)

21 Doch seht, der Mann, der mich verrät und ausliefert, sitzt mit mir am Tisch.

Das sagt er nicht nur um zu zeigen, daß er weiß, was kommen wird, sondern auch, um seine Güte zu zeigen: derentwegen versäumte er es nicht, weiter das zu tun, was im Sinne Gottes ist. er gibt uns nämlich ein Beispiel, daß wir uns bis zum Schluß bemühen sollen, die Sünder zu gewinnen. Und es sollte die Gemeinheit des Verräters zeigen, der sich nicht schämte, am Mahl teilzunehmen. (Theophylactus)

22 Der Menschensohn muß zwar den Weg gehen, der ihm bestimmt ist. Aber weh dem Menschen, durch den er verraten wird.

Weil aber Judas das, was geschrieben war, in böser Absicht tat, fügte [der Herr] das hinzu [...], damit man ihn nicht für unschuldig oder gar für einen Diener der Vorsehung hält. (Chrysostomus)

23 Da fragte einer den andern, wer von ihnen das wohl sei, der so etwas tun werde.

[...] Und obwohl die elf Apostel wußten, daß sie nichts [Böses] gegen den Herrn im Sinn hatten, suchten sie doch nach einer Sünde, die ihnen nicht bewußt war, denn sie fürchteten die eigene Schwäche und mehr noch glaubten sie ihrem Lehrer. (Beda)

Bei den körperlichen Leiden gibt es viele , die der Patient gar nicht selbst spürt, so daß den Diagnosen der Ärzte mehr Vertrauen entgegenbringen muß als dem eigenen Empfinden, so muß man auch bei seelischen Leiden, obwohl man die Sünde vielleicht gar nicht selbst spürt, doch den Glauben schenken, die die eigenen Sünden besser erkennen können. (Basilius der Große)

24 Es entstand unter ihnen ein Streit darüber, wer von ihnen wohl der Größte sei.

Als sie sich nun gegenseitig zu befragen begannen, wer wohl den Herrn verraten würde, ergab es sich, daß sie zueinander sagten: Du wirst ihn verraten! Und das zwang sie auch zu sagen: ich bin der bessere, ich bin der größere und dergleichen mehr. (Theophylactus)

Oder aber das Motiv für diesen Streit lag darin, daß wenn der Herr von den Menschen weggehen sollte, einer von ihnen der Erste werden und gleichsam die Stelle des Herrn einnehmen mußte. (Graecus)

Doch nicht auf die immer noch fleischlichen Handlungen der Jünger wollen wir blicken, sondern mehr darauf, was der geistliche Lehrer befiehlt, wenn folgt: (Beda)

25 Da sagte Jesus: Die Könige herrschen über ihre Völker, und die Mächtigen lassen sich Wohltäter nennen.
26 Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Kleinste, und der Führende soll werden wie der Dienende.

Die Würde hebt also den Vorsteher nicht heraus, damit er nicht von dem Glück der Demut abfällt. Jenes aber weiß er, daß die Demut in Wahrheit ein Dienst an vielen ist. Wie nämlich der, der vielen Verwundeten dient und jede Wunde reinigt, diesen Dienst nicht zum Anlaß für Hochmut nimmt, um so viel mehr soll der, dem die Sorge um die [geistlichen] Nöte seiner Brüder anvertraut ist, daran denken, daß er sich wie ein Diener aller benimmt und für alles Rechenschaft wird ablegen müssen, und so soll er sich eifrig bemühen. Auf diese Weise wird dann auch der, der der größere ist, gleichsam der kleinere werden. Doch für die, die Vorsteher sind, schickt es sich, [nicht nur einen geistlichen], sondern auch einen leiblichen Gehorsam zu zeigen nach dem Beispiel des Herrn, der den Jüngern die Füße wäscht, darum heißt es: der Führende soll werden wie der Dienende . Man soll auch nicht fürchten, daß dadurch bei dem Untergebenen der Vorsatz, demütig zu sein, aufgehoben wird, wenn er von einem Höheren bedient wird, [vielmehr] wird seine Demut durch die Nachahmung dann herausgefordert. (Basilius der Große)

Bei dieser vom Herrn gegeben Norm aber müssen die Vorgesetzten sehr genau unterscheiden, damit sie sich nicht wie die Könige der Heiden zum Herrn über ihre Untergebenen aufwerden und sich darin gefallen von diesen gelobt zu werden, damit sie aber auch eifrig um Gerechtigkeit bemüht sind und mutig gegen die Fehler der Sünder einschreiten. (Beda)

27 Welcher von beiden ist größer: wer bei Tisch sitzt oder wer bedient? Natürlich der, der bei Tisch sitzt. Ich aber bin unter euch wie der, der bedient.

Er will sagen: Glaube nicht, daß dein Schüler dich braucht, du aber nicht ihn! Ich bin auf niemanden angewiesen, vielmehr braucht mich alles, was im Himmel und auf Erden ist, und doch bin ich herabgestiegen und habe mich auf die Stufe eines Dieners gestellt. (Chrysostomus)

Gerade als er das Brot und den Wein an sie austeilt, weist er auf seinen Dienst an ihnen hin. Indem er nämlich von diesem Dienst spricht, erinnert er sie daran, daß sie alle genauso gesinnt sein sollen, wenn sie von demselben Brot essen und von demselben Kelch trinken und wenn Christus ihnen allen dient. (Theophylactus)

28 In allen meinen Prüfungen habt ihr bei mir ausgeharrt.
29 Darum vermache ich euch das Reich, wie es mein Vater mir vermacht hat:
30 Ihr sollt in meinem Reich mit mir an meinem Tisch essen und trinken, und ihr sollt auf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten.

Wie der Herr dem Verräter das Wehe vorausverkündet hat, so sagt er den verbliebenen Jüngern Gutes voraus. (Theophylactus)

Die Herrlichkeit des himmlischen Reiches wird nämlich nicht dem geschenkt, der anfängt geduldig zu sein, sondern dem, der darin ausharrt: denn die Beharrlichkeit, die auch Beständigkeit oder Stärke des Geistes heißt, nenne wir die Säule aller Tugenden. Diejenigen, die in den Versuchungen ausharren, nimmt der Herr mit sich in das ewige Reich. Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein (Röm 6,5). (Beda)

Das Reich Gottes ist nicht von dieser Welt (vgl. Joh 18,36). Es besteht aber nicht darin, dem Herrn gleich zu sein, sondern darin der Gleichheit [die er verkörpert] nachzustreben. Allein Christus ist nämlich das vollkommene Abbild Gottes aufgrund der ausdrücklichen Einheit mit der Herrlichkeit des Vaters. Der gerechtfertigte Mensch aber ist auf dieses Abbild Gottes hin [ausgerichtet], wenn er - um sich an das Abbild des göttlichen Lebens anzugleichen - diese Welt um der Erkenntnis Gottes willen gering achtet. Deshalb essen wir auch den Leib Christi, damit wir am ewigen Leben Anteil haben können, denn es folgt: Ihr sollt in meinem Reich mit mir an meinem Tisch essen und trinken. Nicht nämlich Speise und Trank wird hier als Lohn versprochen, sondern daß er uns himmlische Gnade und himmlisches Leben mitteilen wird. (Ambrosius)

Oder aber: der Tisch, der hier allen Heiligen zum Genuß vorgestellt wird, ist die Herrlichkeit des himmlischen Lebens, in dem diejenigen, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit (Mt 5,6) gesättigt werden und die ersehnte Freude an dem wahren Gut nun genießen können.(Beda)

Hier spricht er nicht von zukünftigen leiblichen Speisen oder von ein zukünftigen sichtbaren Reich: das Leben dort wird nämlich wie das der Engel sein, wie er es auch den Sadduzäern vorausgesagt hat (Mk 12,18-27). Und auch Paulus sagt ja, daß das Reich Gottes nicht Essen und Trinken ist (Röm 14,17). (Theophylactus)

Hier erkennt man, daß die Rechte des Höchsten so anders handelt (Ps 77,11). Denn die, die jetzt demütig ihre Freude daran haben, ihren Mitknechten zu Diensten zu sein, die werden dann am Tisch des Herrn erhaben sein und sich an der Speise des ewigen Lebens nähren. Und diejenigen, die hier in den Versuchungen zu Unrecht verurteilt wurden, die werden beim Herrn bleiben und mit ihm über ihre Versucher als gerechte Richter urteilen. (Beda)

Die zwölf Throne darf man sich aber nicht als anfaßbare Sitzgelegenheiten vorstellen. Denn Christus, der Gott gleich ist, urteilt durch seine Kenntnis der Herzen, er muß nicht nach den Taten fragen, und dementsprechend belohnt er die Tugend und bestraft die Gottlosigkeit; so bilden auch die Apostel ein geistliches Gericht, um die Treue zu belohnen und den Verrat zu verfluchen [...]. (Ambrosius)

31 Simon, Simon, der Satan hat verlangt, daß er euch wie Weizen sieben darf.

Damit die elf Apostel sich nicht rühmen und meinen, es liege an ihrer eigenen Stärke, daß sie fast als einzige unter so vielen tausend Juden in der Versuchung mit dem Herrn ausgeharrt haben, darum weist der Herr darauf hin, daß sie ohne die Hilfe des Herrn von demselben Sturm zusammen mit den anderen hinweggefegt worden wären. (Beda)

Oder [er sagt es], um zu zeigen, daß es den Menschen, die ja ein nichts sind, was die menschliche Natur und unseren unsteten Geist angeht, nicht ansteht, andere leiten zu wollen; daher übergeht [der Herr] die übrigen und wendet sich an Petrus, der der erste von ihnen ist. (Cyrill)

32 Ich aber habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine Brüder.

Das gilt nicht nur für die Apostel damals, daß sie von Petrus gestärkt werden sollten, sondern von allen Gläubigen bis zum Ende dieser Welt. Es sollte freilich auch kein Glaubender verzweifeln, wenn er sieht, daß dieser, obwohl er Apostel war, [den Herrn] verleugnete und durch seine Reue wieder das [alte] Vorrecht erhielt, Vorsteher der Welt zu sein. Bewundere auch die überreiche göttliche Geduld: damit der Jünger nicht verzweifelt, schenkt er ihm schon die Verzeihung, obwohl er die Tat noch gar nicht begangen hat, und er setzt ihn wieder in den Apostel-Stand ein mit den Worten: stärke deine Brüder. (Theophylactus)

Er will gleichsam sagen: so wie ich deinen Glauben durch mein Gebet beschützt habe, damit er dir nicht verloren geht, so denke auch du daran, deine schwächeren Brüder zu stärken, damit sie nicht an der Vergebung [der Sünden] zweifeln. (Beda)

33 Darauf sagte Petrus zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir sogar ins Gefängnis und in den Tod zu gehen.

Von allzu großer Liebe ist er entflammt und so verspricht er das Unmögliche. [...] (Theophylactus)

34 Jesus erwiderte: Ich sage dir, Petrus, ehe heute der Hahn kräht, wirst du dreimal leugnen, mich zu kennen.

Auch wenn der Geist des Petrus willig war, die Kraft seines Fleisches war noch schwach, und deshalb wird ihm prophezeit, daß er den Herrn verleugnen wird. Sein Wille konnte gar nicht genauso beständig sein, wie der göttliche [Wille Jesu]. Das Leiden des Herrn mag Nachahmer haben, doch erreicht werden wird es nicht.Lat.: Passio domini aemulos habet, pares non habet! (Ambrosius)

Daraus können wir eine große Lehre ziehen: der menschliche Vorsatz genügt nicht ohne die göttliche Hilfe. [...] (Theophylactus)

Man muß wissen, daß Gott es zuläßt, daß auch die, die Gott fürchten, zu Fall kommen können (und manchmal soll dadurch auch vorausgegangener Hochmut geheilt werden). Doch wenn das Vergehen des Gottesfürchtigen und das der anderen auch das gleiche zu sein scheint, so gibt es doch einen großen Unterschied: der Gottesfürchtige nämlich sündigt, weil er sich in einen Hinterhalt [des Teufels] verstrickt und tut es fast so, als ob er es gar nicht wollte - die anderen hingegen sündigen, weil sie sich weder um sich selber noch um Gott scheren, für sie macht es gar keinen Unterschied, ob einer sündigt, oder ob er tugendhaft handelt. Und darum meine ich, daß es auch ein verschiedene Art der Zurechtweisung geben muß: denn der Gottesfürchtige bedarf einer Hilfe und muß in der Sache, gegen die er sich verging, Weisungen erhalten; die anderen hingegen, da sie alles was gut war in der Seele, zerstört haben, müssen gezüchtigt und ermahnt und [strengen] Regeln unterworfen werden, solange bis ihnen klar ist, daß Gott ein gerechter Richter ist, und sie ihn fürchten lernen. (Beda)

35 Dann sagte Jesus zu ihnen: Als ich euch ohne Geldbeutel aussandte, ohne Vorratstasche und ohne Schuhe, habt ihr da etwa Not gelitten? Sie antworteten: Nein.
36 Da sagte er: Jetzt aber soll der, der einen Geldbeutel hat, ihn mitnehmen, und ebenso die Tasche. Wer aber kein Geld hat, soll seinen Mantel verkaufen und sich dafür ein Schwert kaufen.

Ein Schwimmlehrer wird am Anfang seine Schüler sehr sorgfältig unterstützen, indem er sie mit den Händen festhält, später aber wird er die Hand wegnehmen und ihnen auftragen, daß sie sich selbst über Wasser halten, ja er wird sogar zulassen, daß sie ein wenig untergehen. Genauso macht es auch Christus mit seinen Jüngern. Am Anfang half er ihnen prompt in allem und trug Sorge, daß ihnen alles [notwendige] in überreichem Maß zufloß, darum heißt es auch: Sie antworteten: Nein. Doch wo es sich gehörte, daß sie die eigenen Kräfte zeigen, entzieht er ihnen ein wenig die Gunst und verlangt, daß sie einiges aus eigener Kraft tun. Darum sagt er zu ihnen: Jetzt aber soll der, der einen Geldbeutel hat, ihn mitnehmen, [...] (Chrysostomus)

Doch was ist das? Der, der gesagt hatte: wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin (Mt 5,39), derselbe will nun seine Jünger mit Waffen ausgestattet wissen, wenn auch nur mit einem Schwert: denn wenn sie sich hätten völlig bewaffnen wollen, dann hätten sie nicht nur ein Schwert besitzen müssen, sondern auch Schilder und Helme. Doch wenn sie auch tausend solcher Waffen besessen hätten, wie könnten elf Männer mit so vielen Angriffen und Hinterhalten von Völkern, Tyrannen, Städten und Nationen fertig werden und wie sollten sie, die an Flüssen und Seen großgeworden sind, nicht allein beim Anblick dieser Heere [zu Tode] erschrecken?. Man soll also nicht glauben, Jesus habe befohlen, daß sie Schwerter besitzen sollten, mit dem Hinweis auf die Schwerter deutet er vielmehr die bevorstehenden Anschläge der Juden [auf ihn] an. (Chrysostomus)

37 Ich sage euch: An mir muß sich das Schriftwort erfüllen: Er wurde zu den Verbrechern gerechnet. Denn alles, was über mich gesagt ist, geht in Erfüllung.

Während sie als untereinander um den Vorrang stritten, sagt er, daß [jetzt] nicht die Zeit ist, in der es um Vorrechte geht, sondern um Gefahren, ja um Tod: denn ich euer Meister werde auf unehrenhafte Weise zu Tode kommen, ja werde zu den Gottlosen gerechnet werden [...] Weil er also auf den gewaltsamen Angriff hindeuten wollte, darum sprach er [oben] vom Schwert. Er legte [die Art und Weise seines Todes] aber nicht völlig offen, damit sie der Trägheit verfielen; er verschwieg es aber auch nicht völlig, damit sie nicht durch die plötzlichen Angriffe in Zweifel verfallen. Doch wenn sie später darüber nachdachten, sollten sie sich wundern, wie er sich selbst als Preis darbot in seinem Leiden für das Heil der Menschen. (Theophylactus)

38 Da sagten sie: Herr, hier sind zwei Schwerter. Er erwiderte: Genug davon!

Die zwei Schwerter genügen um zu bezeugen, daß der Erlöser aus freiem Willen das Leiden auf sich nahm: das eine sollte lehren, daß die Apostel den Mut hatten, für ihren Herrn zu streiten, und der Herr die Kraft zu heilen; das andere, das niemals aus der Scheide genommen wurde, sollte zeigen, daß es ihnen nicht erlaubt war, zur Verteidigung ihres Herrn alles zu tun, was sie hätten tun können. (Beda)

[...] Es mag einen noch beschäftigen, warum die Jünger zwei Schwerter brachten: vielleicht ist ja das eine das des Neuen, das andere das des Alten Testaments, durch die wir gegen die Anschläge des Teufels gewappnet sind. Schließlich sagt der Herr: Es ist genug!, denn nichts fehlt dem, der geschützt wird durch die Lehre der beiden Testamente. (Ambrosius)

39 Dann verließ Jesus die Stadt und ging, wie er es gewohnt war, zum Ölberg; seine Jünger folgten ihm.

Am Tag hielt er sich nämlich in Jerusalem auf, in der folgenden Nacht aber auf dem Ölberg, zusammen mit seinen Jüngern. (Cyrill)

40 Als er dort war, sagte er zu ihnen: Betet darum, daß ihr nicht in Versuchung geratet!

Es ist freilich unmöglich, daß die menschliche Seele überhaupt nicht versucht wird, darum sagt er nicht: Betet, damit ihr nicht versucht werdet!, sondern: Betet, daß ihr nicht in Versuchung geratet!, das heißt, daß euch die Versuchung nicht zuletzt überwältigt. (Beda)

41 Dann entfernte er sich von ihnen ungefähr einen Steinwurf weit, kniete nieder und betete:

Es fällt auf, daß er immer zurückgezogen betet. Daraus soll man lernen, daß man mit aufmerksamem Geist und ruhigem Herzen zu Gott, dem Höchsten, sprechen soll. Daß [Jesus] ihn inständig bittet, soll nicht heißen, daß er, der die ganz allmächtige Kraft des Vater ist, einer fremden Hilfe bedürfte, sondern wir lernen daraus, daß wir in Versuchungen nicht schlafen sollen, sondern besser im Gebet verharren. (Cyrill)

Er allein bittet für alle, denn er allein sollte für alle leiden. Das soll zeigen, wie groß der Unterschied zwischen seinem und unserem Gebet ist, zwischen seinem Leiden und unserem Leiden. (Beda)

Wenn er sich einen Steinwurf weit von ihnen entfernt, so will er damit prophetisch sagen, daß sie einen Stein auf ihn werfen wollten, nämlich eine Anklage aufgrund jenes Gesetzes, das auf Stein geschrieben ist [d.h. das mosaische]. (Augustinus, de quaest. Evang.)

Was aber bedeutet es, daß er niederkniete zum Gebet? Auf diese Art und Weise, mit dem Haupt zur Erde gewandt, bitten die Menschen ihre Oberen, wobei sie zeigen wollen, daß der der gebeten wird , der stärkere ist. Nun ist aber offenkundig, daß der Mensch nichts hat, was würdig wäre, es Gott anzubieten. Und darum übernimmt er die Zeichen der Ehrerbietung, die er im Verkehr mit seinesgleichen gebraucht, [...] um den Gehorsam gegenüber dem unvergleichlich größeren Wesen anzuzeigen. Und der, der unsere Schwächen getragen hat und für uns eintritt, betet in seiner angenommenen menschlichen Natur mit gebeugtem Knie, um deutlich zu machen, daß man beim Gebet nicht den Hochmut pflegen, sondern sich in allem demütigen soll. Denn Gott verweigert sich dem, der hochmütig ist, den Demütigen aber gibt er seine Gnade. (Gregor von Nyssa)

42 Vater, wenn du willst, nimm diesen Kelch von mir!

Er sagt nicht deshalb "wenn du willst", weil er nicht weiß, ob es dem Vater so gefällt [...] und er sagt es auch nicht, weil er sich der Passion verweigern will. [...] Überlege also, warum er so spricht: Wie staunenswert war es zu hören, daß der unaussprechliche Gott, der jeden menschlichen Verstand übersteigt, in den Leib einer Jungfrau eintreten, Milch saugen und alles, was zum menschlichen Leben gehört, auf sich nehmen wollte. Weil aber das, was geschehen sollte, fast nicht zu glauben war, sandte er zuerst die Propheten, um es zu verkündigen, und dann ist er selbst im Fleisch gekommen, damit man es nicht für ein Hirngespinst hält. Er läßt es zu, daß sein Fleisch die natürlichen Schwächen hat, er hungert, dürstet, schläft, leidet, zeigt Gefühle und hat auch Angst. Und darum schreckt er auch vor dem Tod zurück und zeigt so sein wahres Menschsein. (Chrysostomus)

Wenn er sagt "nimm diesen Kelch von mir!", so bedeutet das nicht: Das soll mir nicht zustoßen! Denn wenn der Kelch nicht zu ihm kommt, dann kann er auch nicht weggenomen werden. Da er also spürt, daß er schon da ist, wird erregt und auch traurig. [...] (Dionysius Alexandrinus, de martyr. 7)

Aber nicht mein, sondern dein Wille soll geschehen.

Man sieht hier zwei Willen: den menschlichen Willen, den das Fleisch hat, und auch den göttlichen Willen. Der Mensch möchte wegen der Schwäche seines Fleisches nicht leiden, sein göttlicher Wille aber will [die Passion] auf sich nehmen, so daß es nicht möglich war, daß er vom Tod abgehalten wurde. (Athanasius)

Apollinaris aber behauptet, daß Christus in seiner menschlichen Natur keinen eigenen Willen hatte und nur der Wille Gottes, der vom Himmel herabstieg, in Christus war. Dann soll er doch sagen, welcher Wille es ist, der nicht geschehen soll.Der Herr betet ja hier auch: 'mein Wille soll nicht geschehen!' Seine göttliche Natur nimmt ihm nämlich nicht den eigenen Willen. (Gregor von Nyssa)

43 Da erschien ihm ein Engel vom Himmel und gab ihm neue Kraft.

An anderer Stelle lesen wir, daß Engel kamen und ihm dienten (Mt 4,11). Zum Aufweis der beiden Naturen [der göttlichen und der menschlichen] heißt es dort sie dienten ihm und hier sie trösteten ihn.Die Vg  hat 'trösten' (confortare) anstelle von 'Kraft geben'. Der Schöpfer hat es ja nicht nötig, daß sein Geschöpf ihn beschützt, als Mensch aber wird er um unseretwillen getröstet, wie er auch um unseretwillen traurig ist. (Beda)

Manche sagen auch, daß ihm ein Engel erschien und ihm die Ehre bezeugte mit den Worten: Dein Herr ist die Kraft, denn du kannst das Menschengeschlecht befreien, auch gegen den Tod und die Unterwelt. (Theophylactus)

44 Und er betete in seiner Angst noch inständiger, und sein Schweiß war wie Blut, das auf die Erde tropfte.

Die meisten schreckt diese Stelle ab, denn sie sehen darin nicht einen Beweis dafür, daß er die Schwäche [freiwillig] auf sich genommen hat, sondern dafür, daß sie ihm angeboren war.Wörtlich: daß sie von Anfang an eingewurzelt (inolitum) war Ich aber sehe hier nichts, für was man eine Entschuldigung suchen müßte, ja mehr noch, ich sehe nirgendwo eine bewunderungswürdigere Güte und Majestät. Es hätte mir wenig gebracht, wenn er nicht das geworden wäre, was ich bin; er hat meine Traurigkeit auf sich genommen, um mir seine Freude zu schenken. Voll Zuversicht kann ich die Traurigkeit beim Namen nennen, denn ich verkünde ja das Kreuz (vgl. 1 Kor 1,23). Er mußte also die Schmerzen auf sich nehmen, um zum Sieg zu gelangen. Und wir loben ja auch nicht die wegen ihrer Tapferkeit, die gar keine Schmerzen fühlen, sondern die, die sie aushalten. [Der Herr] wollte uns also lehren, wie wir den Tod - und was noch mehr ist: die Angst vor dem kommenden Tod - überwinden. Was die Schmerzen bereitet sind also nicht [nur] meine Wunden, sondern deine eigenen. Denn er wurde schwach wegen unserer Vergehen (vgl. Jes 53,5). Und vielleicht ist er deshalb traurig, weil nach dem Fall Adams der Übergang aus dieser Welt [in die nächste] so geschieht, daß wir sterben müssen. Doch auch das ist wahr: er trauerte wegen seiner Verfolger, denn er wußte, daß sie die Strafe für diesen gewaltigen Frevel würden tragen müssen. (Ambrosius)

Da er dem Tode nahe war, wurde der Kampf sichtbar, der sich auch in unserem Geist abspielt. Wir werden ja auch von Furcht und Schrecken ergriffen, wenn wir mit der Auflösung unseres Fleisches zum ewigen Gericht hintreten müssen. Und das zu Recht, denn schon bald wird die Seele dann das finden, was auf ewig nicht mehr geändert werden kann. (Gregor der Große, Moralia)

Es ist gegen die Natur, Blut zu schwitzen, darum halte niemand diesen Schweiß für ein Zeichen der Schwäche, sondern dadurch wird für uns deutlich, daß nun die Erfüllung dessen, worum er gebeten hatte, eintritt: er sollte ja mit seinem Blut den Glauben der Jünger reinigen, den die irdische Schwäche anklagte. (Beda)

45 Nach dem Gebet stand er auf, ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend; denn sie waren vor Kummer erschöpft.

Denn es war Mitternacht und die Angst schloß den Jüngern die Augen. Sie schliefen auch nicht weil sie müde, sondern weil sie traurig waren. (Chrysostomus)

46 Da sagte er zu ihnen: Wie könnt ihr schlafen? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.
47 Während er noch redete, kam eine Schar Männer; Judas, einer der Zwölf, ging ihnen voran. Er näherte sich Jesus, um ihn zu küssen.

[... Der Evangelist] fügt hinzu einer der Zwölf, um die Schlechtigkeit des Verräters zu zeigen: denn er empfing die gleiche Ehre wie die übrigen Apostel, betrieb aber die Tötung Christi. (Cyrill)

48 Jesus aber sagte zu ihm: Judas, mit einem Kuß verrätst du den Menschensohn?

Wir dürfen nicht aufhören, die Brüder zu ermahnen, auch wenn unsere Worte nichts bewirken: die Flüsse fließen ja auch, wenn keiner daraus schöpft. Und wenn du ihn heute nicht überzeugen kannst, morgen gelingt es dir vielleicht. Und der Fischer, der den ganzen Tag über nur leere Netze eingeholt hat, fängt zuletzt doch noch einen Fisch. [...] (Chrysostomus)

Er nennt ihn bei seinem Namen, nicht um ihn zum Zorn zu reizen, sondern weil er um ihn trauerte und ihn zur Besinnung rufen wollte. (Chrysostomus)

Er sagt nicht: Du verrätst deinen Lehrer, deinen Herrn, deinen Wohltäter, sondern: den Menschensohn, das heißt, den, der gütig und sanftmütig ist. Wenn er auch nicht dein Lehrer und Herr gewesen wäre, so hättest du ihn doch nicht verraten dürfen, denn er hat dich so zart behandelt. (Chrysostomus)

O Herr, wie große Macht zeigst du hier und wie große Tugend lehrst du uns! Du deckst den verräterischen Plan auf und hörst doch nicht auf geduldig zu sein. [...] Er macht deutlich, wen Judas verriet, als er sagt den Menschensohn, denn nicht die Gottheit wird ergriffen. Darüber hinaus bringt dieses Wort den Undankbaren zum Schweigen, denn er hat den verraten, der, obwohl er Gottes Sohn war, unseretwegen Menschen-Sohn sein wollte. Das soll heißen: Deinetwegen, Undankbarer, habe ich angenommen, was du [jetzt] verrätst,D.h. die menschliche Natur du Heuchler. (Ambrosius)

49 Als seine Begleiter merkten, was (ihm) drohte, fragten sie: Herr, sollen wir mit dem Schwert dreinschlagen?
50 Und einer von ihnen schlug auf den Diener des Hohenpriesters ein und hieb ihm das rechte Ohr ab.

Die Jünger packt der Zorn und sie ziehen die Schwerter. [...] Aber wie kommt es, daß sie welche dabeihaben? Weil sie das [Pascha-]Lamm geschlachtet hatten und dann vom Tisch aufgestanden waren. Die anderen Jünger fragen sich noch, ob sie dreinschlagen sollen, Petrus aber, der immer vor Eifer für den Herrn glühte, wartet ihre Überlegungen nicht ab, sondern schlägt auf den Diener des Hohenpriesters ein. (Theophylactus)

51 Jesus aber sagte: Hört auf damit! Und er berührte das Ohr und heilte den Mann.

Zu keinem Zeitpunkt vergißt der Herr seine Güte. Jene bringen ihm dem Tod, und er heilt die Wunden seiner Verfolger. (Beda)

Wenn aber der Herr die blutige Wunde abwischt, so beinhaltet das auch ein göttliches Geheimnis: Diejenigen, die nicht von Natur aus sondern schuldhaft dem Fürsten dieser Welt dienten, sollten eine Wunde am Ohr empfangen, weil sie die Worte der Weisheit nicht hören wollten. Und Petrus, der das Ohr bereitwillig abschlägt, lehrt, daß der kein Ohr aus Fleisch haben sollte, der er kein geistlichesLat.: in mysterio hat. Warum aber Petrus? Weil er die Macht zu binden und zu lösen erhalten hat, und mit seinem geistlichen Schwert nimmt er dem das innere Ohr, der keine Einsicht hat. Doch der Herr selbst gibt ihm das Gehör wieder und zeigt dadurch, daß auch sie, die bei der Passion des Herrn verwundet wurden, wenn sie sich bekehren, geheilt werden können. Denn jede Sünde wird durch die Geheimnisse des Glaubens abgewaschen. (Ambrosius)

52 Zu den Hohenpriestern aber, den Hauptleuten der Tempelwache und den Ältesten, die vor ihm standen, sagte Jesus: Wie gegen einen Räuber seid ihr mit Schwertern und Knüppeln ausgezogen.
53 Tag für Tag war ich bei euch im Tempel, und ihr habt nicht gewagt, gegen mich vorzugehen. Aber das ist eure Stunde, jetzt hat die Finsternis die Macht.

Sie kamen nachts, denn sie fürchteten einen Angriff der Menge. (Chrysostomus)

Er sagt gewissermaßen: deshalb habt ihr euch nachts gegen mich zusammengerottert, denn eure Macht, mit der ihr euch so gegen das Licht der Welt gerüstet hat, liegt in der Finsternis. [...] (Beda)

54 Darauf nahmen sie ihn fest, führten ihn ab und brachten ihn in das Haus des Hohenpriesters. Petrus folgte von weitem.

Er wird in das Haus des Hohenpriesters gebracht, damit sie alles einzelne mit der Zustimmung des Ersten der Priester tun. Dort hatten sich alle versammelt, um auf Christus zu warten. [...] (Chrysostomus)

Treffend heißt es [von Petrus], er folgte von weitem, denn er sollte ihn schon bald verleugnen. Er hätte ihn nämlich nicht verleugnen können, wenn er nahe bei Christus geblieben wäre. Aber darin erscheint er verehrungswürdig, daß er den Herrn nicht verließ, auch wenn er sich fürchtete: die Furcht kommt von der Natur, die Heilung von der Frömmigkeit. (Ambrosius)

Daß Petrus dem Herrn auf dem Weg zur Passion von weitem folgte, deutet auf die Kirche hin, die dem Herrn auf dem Leidensweg folgen, das heißt ihn nachahmen sollte. Der Abstand ist freilich groß, denn die Kirche leidet für sich selber, jener aber für die Kirche. (Beda)

55 Mitten im Hof hatte man ein Feuer angezündet, und Petrus setzte sich zu den Leuten, die dort beieinandersaßen.

Petrus trat hinzu, um sich zu wärmen, denn nachdem der Herr verhaftet worden war, war die Wärme seines Herzens von ihm gewichen. (Ambrosius)

56 Eine Magd sah ihn am Feuer sitzen, schaute ihn genau an und sagte: Der war auch mit ihm zusammen.
57 Petrus aber leugnete es und sagte: Frau, ich kenne ihn nicht.

O Petrus, was sagst du da? Plötzlich redest du ganz anders: der Mund, der voller Glaube und Liebe war, hat sich zu Haß und Treulosigkeit verkehrt. Und noch sind keine Geißeln, noch keine Folterwerkzeuge hergebracht worden. Und die, die dich fragt, ist keiner von denen, der durch sein Ansehen dem, der sich offenbart, Furcht einflößen könnte; es ist einfach eine Frau und wahrscheinlich hätte sie dich nicht einmal verraten, wenn du es zugegeben hättest; und es war ja noch nicht einmal eine Frau, sondern ein Mädchen, das an der Tür steht, eine einfache Sklavin. (Chrysostomus)

58 Kurz danach sah ihn ein anderer und bemerkte: Du gehörst auch zu ihnen. Petrus aber sagte: Nein, Mensch, ich nicht!
59 Etwa eine Stunde später behauptete wieder einer: Wahrhaftig, der war auch mit ihm zusammen; er ist doch auch ein Galiläer.
60 Petrus aber erwiderte: Mensch, ich weiß nicht, wovon du sprichst. Im gleichen Augenblick, noch während er redete, krähte ein Hahn.

Die heilige Schrift bezeichnet öfters den Charakter einer Sache durch den Charakter einer bestimmten Zeit: Petrus sündigte mitten in der Nacht, beim [ersten] Hahnenschrei bereute er dann. (Beda)

61 Da wandte sich der Herr um und blickte Petrus an.

Wie das zu verstehen ist, wollen wir sorgfältig betrachten. Matthäus sagt nämlich, Petrus saß draußen im Vorhof (Mt 26,69), das würde er nicht sagen, wenn nicht mit dem Herrn im Inneren [des Hauses] verhandelt worden wäre. Ähnlich verhält es sich mit dem, was Markus sagt: Als Petrus unten im Hof war ..., er zeigt so, daß das, wovon er berichtet, nicht nur im Inneren, sondern sogar im Obergeschoß stattfand. Wie also kann der Herr Blickkontakt mit Petrus haben? Daher scheint mir daß es sich um einen göttlichen Blick handelte, so wie es auch heißt: Blick doch her, erhöre mich, Herr (Ps 13,4), oder: Herr, wende dich mir zu und errette mich (Ps 6,5) [...] (Augustinus)

Denn indem er ihn anblickt, erbarmt er sich seiner. Die Barmherzigkeit Gottes ist nicht nur nötig, wenn Buße getan wird, sondern auch damit sie getan wird. (Beda)

Und Petrus erinnerte sich an das, was der Herr zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.
62 Und er ging hinaus und weinte bitterlich.

Warum weinte er? Weil er menschlich gedacht hatte und so vom Weg abgekommen war.Wörtlich: erravit ut homo - weil er wie ein Mensch umhergeirrt war. Ich lese, daß er weinte, ich lese nicht, daß er Buße tat. Die Tränen tilgen ein Vergehen, das er sich schämt, mit dem Mund zu bekennen. Er verleugnete ihn ein erstes und ein zweites Mal und er weinte nicht, denn der Herr hatte ihn noch nicht angesehen. Er verleugnete ihn ein drittes Mal, Jesus blickte ihn an und da weinte er bitterlich. Auch du wasch deine Schuld mit Tränen ab, wenn du Verzeihung finden willst. (Ambrosius)

Petrus wagte nicht, offen zu weinen, damit er nicht durch seine Tränen entdeckt würde. Er weinte aber nicht wegen einer Strafe, sondern weil er den Geliebten verleugnet hatte, das bedrückte ihn mehr als irgendeine Strafe. (Chrysostomus)

63 Die Wächter trieben ihren Spott mit Jesus. Sie schlugen ihn,
64 verhüllten ihm das Gesicht und fragten ihn: Du bist doch ein Prophet! Sag uns: Wer hat dich geschlagen?

Der Herr des Himmels und der Erde läßt sich schlagen und er erträgt den Spott der Gottlosen, so gibt er uns ein Beispiel der Geduld. (Chrysostomus)

65 Und noch mit vielen anderen Lästerungen verhöhnten sie ihn.
66 Als es Tag wurde, versammelten sich die Ältesten des Volkes, die Hohenpriester und die Schriftgelehrten, also der Hohe Rat, und sie ließen Jesus vorführen.
67 Sie sagten zu ihm: Wenn du der Messias bist, dann sag es uns!

Sie wollten nicht die Wahrheit hören, sondern sie bereiteten eine falsche Anklage vor. Insofern sie glaubten, daß der Messias nur als Mensch aus dem Stamm Davids kommen werde, stellten sie ihm diese Frage, damit sie ihn anklagen konnten, wenn er sagen sollte: "Ich bin Christus." Er hätte sich ja dann königliche Macht angemaßt. (Beda)

Er antwortete ihnen: Auch wenn ich es euch sage - ihr glaubt mir ja doch nicht;
68 und wenn ich euch etwas frage, antwortet ihr nicht.

Er aber kannte ihre Gedanken: wenn sie schon seinen Werken nicht glaubten, um wieviel weniger würden sie seinen Worten glauben. (Theophylactus)

69 Von nun an wird der Menschensohn zur Rechten des allmächtigen Gottes sitzen.

Er sagt gleichsam: Es ist jetzt keine Zeit mehr zu euch zu reden und euch zu belehren, hernach aber wird die Zeit des Gerichtes sein, wenn ihr mich, den Menschensohn, zur Rechten des allmächtigen Gottes sitzen seht. (Theophylactus)

Nach diesen Worten mußten sie sich eigentlich fürchten, doch sie wüteten nur um so mehr. (Theophylactus)

70 Da sagten alle: Du bist also der Sohn Gottes. Er antwortete ihnen: Ihr sagt es - ich bin es.
71 Da riefen sie: Was brauchen wir noch Zeugenaussagen? Wir haben es selbst aus seinem eigenen Mund gehört.

Daraus wird deutlich, daß es keinen Sinn hat denjenigen, die nicht hören wollen, die tieferen Geheimnisse [des Glaubens] zu offenbaren, denn sie ziehen dadurch nur größere Strafe auf sich. [...] (Theophylactus)

1 Daraufhin erhob sich die ganze Versammlung, und man führte Jesus zu Pilatus.

Damit sollte sich das Wort Jesu erfüllen, das er über seinen Tod gesagt hatte: "er wird den Heiden übergeben werden" (Lk 18,32), das heißt den Römern [...]. (Beda)

2 Dort brachten sie ihre Anklage gegen ihn vor; sie sagten: Wir haben festgestellt, daß dieser Mensch unser Volk verführt, es davon abhält, dem Kaiser Steuer zu zahlen, und behauptet, er sei der Messias und König.

Ganz offensichtlich sagen sie die Unwahrheit, denn der Herr hatte nicht verboten Steuern zu zahlen, sondern es vielmehr geboten (vgl. Mt 22,17-22). Und wie hat er das Volk verführt? Etwa dadurch, daß er die Königsherrschaft für sich beansprucht hätte? Das wird doch keiner glauben, denn als die Menge ihn zum König wählen wollte, floh er, sobald er es erkannte. (Theophylactus)

3 Pilatus fragte ihn: Bist du der König der Juden? Er antwortete ihm: Du sagst es.

Mir scheint, daß er Christus das fragte, um die Lächerlichkeit dieser Anklage darzutun, er sagt ja: Du, ein armer, geringer Mann ohne Kleidung und ohne Gönner wirst angeklagt, die Königsherrschaft an dich reißen zu wollen? Dazu braucht man doch viele Helfer und viel Geld! (Theophylactus)

4 Da sagte Pilatus zu den Hohenpriestern und zum Volk: Ich finde nicht, daß dieser Mensch eines Verbrechens schuldig ist.
5 Sie aber blieben hartnäckig und sagten: Er wiegelt das Volk auf und verbreitet seine Lehre im ganzen jüdischen Land von Galiläa bis hierher.

Durch diese Worte klagen sie nicht ihn an, sondern sich selbst. Denn daß er das Volk gelehrt und durch seine Lehre aus der früheren Mutlosigkeit herausgeholt und das ganze Land der Verheißung auf diese Weise durchdrungen hat, das weist nicht auf ein Verbrechen hin, sondern auf sein Charisma.Wörtlich: auf seine Tugend/seine Macht (virtus) (Beda)

Der Herr wird angeklagt - und schweigt. Er hat keine Verteidigung nötig, denn nur die, die fürchten zu unterliegen, gehen daran, sich zu verteidigen. Durch sein Schweigen bestätigt er nicht die Vorwürfe, er zeigt nur für wie gering er sie hält, indem er sie nicht zurückweist. [...] (Ambrosius)

6 Als Pilatus das hörte, fragte er, ob der Mann ein Galiläer sei.
7 Und als er erfuhr, daß Jesus aus dem Gebiet des Herodes komme, ließ er ihn zu Herodes bringen, der in jenen Tagen ebenfalls in Jerusalem war.

Pilatus hatte beschlossen, den Herrn wegen der oben vorgebrachten Anklage nicht zu vernehmen, und nachdem er eine gute Gelegenheit gefunden hatte, wollte er sich davon frei machen ihn verurteilen zu müssen. [...] Und damit er nicht gezwungen würde, ein Urteil über den zu fällen, der (wie er selbst erkannt hatte) unschuldig und nur aus Neid an ihn ausgeliefert worden war, sandte er ihn zu Verhör zu Herodes, damit besser der, der in dessen Heimatstadt Tetrarch war, ihn entweder freispreche oder bestrafe. (Beda)

8 Herodes freute sich sehr, als er Jesus sah; schon lange hatte er sich gewünscht, mit ihm zusammenzutreffen, denn er hatte von ihm gehört. Nun hoffte er, ein Wunder von ihm zu sehen.
9 Er stellte ihm viele Fragen, doch Jesus gab ihm keine Antwort.

Er schwieg und tat nichts, denn der Unglaube des Herodes verdiente es nicht göttliche [Taten] zu sehen, und Prahlerei war dem Herrn zuwider. Vielleicht werden in Herodes auch bildlich all jene Ungläubigen dargestellt, die, weil sie dem Gesetz und den Propheten nicht geglaubt haben, die wunderbaren Werke Christi im Evangelium nicht sehen können. (Ambrosius)

Wenn wir das hören, können wir daraus lernen, daß wir immer dann besser ganz schweigen, wenn unsere Zuhörer etwas von uns wissen wollen (und uns so gleichsam loben), aber nicht bereit sind, ihren verkehrten Lebenswandel aufzugeben. Sonst kann es leicht sein, wenn wir das Wort Gottes [nur] verkünden, weil wir uns damit brüsten wollen,Wörtlich: um es zu zeigen (ostentationis studio) daß sie nicht von ihrer Schuld ablassen, wir aber, die wir zuvor keine hatten, plötzlich als Schuldige dastehen. [...] (Gregor der Große, Moralia)

10 Die Hohenpriester und die Schriftgelehrten, die dabeistanden, erhoben schwere Beschuldigungen gegen ihn.
11 Herodes und seine Soldaten zeigten ihm offen ihre Verachtung. Er trieb seinen Spott mit Jesus, ließ ihm ein Prunkgewand umhängen und schickte ihn so zu Pilatus zurück.
12 An diesem Tag wurden Herodes und Pilatus Freunde; vorher waren sie Feinde gewesen.
13 Pilatus rief die Hohenpriester und die anderen führenden Männer und das Volk zusammen
14 und sagte zu ihnen: Ihr habt mir diesen Menschen hergebracht und behauptet, er wiegle das Volk auf. Ich selbst habe ihn in eurer Gegenwart verhört und habe keine der Anklagen, die ihr gegen diesen Menschen vorgebracht habt, bestätigt gefunden,
15 auch Herodes nicht, denn er hat ihn zu uns zurückgeschickt. Ihr seht also: Er hat nichts getan, worauf die Todesstrafe steht.
16 Daher will ich ihn nur auspeitschen lassen, und dann werde ich ihn freilassen.

Durch seinen Richterspruch spricht Pilatus hier Christus frei, durch seine Tat[en] kreuzigt er ihn. [...] (Ambrosius)

Durch das Zeugnis von zwei Männern [Pilatus und Herodes] wird die Unschuld Jesu festgestellt, die Juden aber, die ihn anklagten, haben keinen Zeugen beigebracht, dem man Glauben schenken müßte. Sie also, wie die Wahrheit siegt: Jesus schweigt und seine Feinde sprechen für ihn; die Juden machen ein lautes Geschrei, aber keiner von ihnen legt durch sein Geschrei ein [gültiges] Zeugnis [gegen ihn] ab. (Theophylactus)

Doch Pilatus ist zu gleichgültig und nicht ernsthaft genug um die Wahrheit bemüht, denn er fürchtet die vorgebrachten Anschuldigungen und fügt deshalb hinzu: "Ich werde ihn auspeitschen lassen und dann freilassen." (Theophylactus)

17 Zum Fest aber mußte er ihnen einen Gefangenen freilassen.
18 Da schrien sie alle miteinander: Weg mit ihm; laß den Barabbas frei!
19 Dieser Mann war wegen eines Aufruhrs in der Stadt und wegen Mordes ins Gefängnis geworfen worden.
20 Pilatus aber redete wieder auf sie ein, denn er wollte Jesus freilassen.
21 Doch sie schrien: Kreuzige ihn, kreuzige ihn!
22 Zum drittenmal sagte er zu ihnen: Was für ein Verbrechen hat er denn begangen? Ich habe nichts feststellen können, wofür er den Tod verdient. Daher will ich ihn auspeitschen lassen, und dann werde ich ihn freilassen.
23 Sie aber schrien und forderten immer lauter, er solle Jesus kreuzigen lassen, und mit ihrem Geschrei setzten sie sich durch:
24 Pilatus entschied, daß ihre Forderung erfüllt werden solle.
25 Er ließ den Mann frei, der wegen Aufruhr und Mord im Gefängnis saß und den sie gefordert hatten. Jesus aber lieferte er ihnen aus, wie sie es verlangten.

Es paßt zusammen, wenn sie die Freilassung eines Mörders fordern und den Tod eines Unschuldigen, denn die Ungerechtigkeit hat ihre eigenen Gesetze, die so aussehen, daß das Verbrechen gerade das liebt, was die Unschuld haßt. (Ambrosius)

Sie wollten den Unschuldigen mit der schlimmsten Todesart hinrichten lassen, nämlich ihn kreuzigen. [...] Doch der Herr hatte den Tod am Kreuz, weil er es nach der Besiegung des Teufels als ein Siegeszeichen den Gläubigen vor Augen stellen wollte. (Beda)

26 Als sie Jesus hinausführten, ergriffen sie einen Mann aus Zyrene namens Simon, der gerade vom Feld kam. Ihm luden sie das Kreuz auf, damit er es hinter Jesus hertrage.

Johannes aber berichtet, daß Jesus selbst das Kreuz trug (Joh 19,17), darum wird man das so zu verstehen haben, daß er selbst das Kreuz trug als er sich aufmachte zu dem Platz, der Kalvaria heißt, auf dem Weg aber wurde Simon genötigt und ihm das Kreuz gegeben, um es bis zu jener Stelle zu tragen. (Augustinus, de cons. Evang.)

Kein anderer wollte nämlich das Kreuz tragen, denn man hielt für verflucht (vgl. Gal 3,13). [...] Hier erfüllt sich auch das Wort: "Die Herrschaft ruht auf seiner Schulter" (Jes 9,5), den die Herrschaft Christi ist sein Kreuz, und darum "hat ihn Gott erhöht", wie der Apostel sagt (Phil 2,9). Der Herr trägt das Kreuz so, wie andere zum Zeichen ihrer Würde einen Gürtel und wieder andere eine Kopfbedeckung tragen. Und wenn du genau hinsiehst, dann bemerkst du, daß Christus in uns nicht anders herrscht, denn durch einen strengen Lebenswandel,Lat.: per asperitates und daher kommt es, daß die Verweichlichten auch Feinde des Kreuzes sind. (Theophylactus)

Christus, der das Kreuz trägt, tragt also schon als Sieger das Siegeszeichen; das Kreuz wird auf die Schultern gelegt, denn - sei es das Simon es trug, sei es daß er selber es trug - Christus trägt es in der Menschheit und die Menschheit in Christus. Also widersprechen sich auch die Berichte der Evangelisten nicht, da sie ja dasselbe Glaubensgeheimnis ausdrücken. Hier wird auch gut die Ordnung beschrieben, wie wir selbst [im Glauben] vorankommen, daß er nämlich zunächst selbst das Siegeszeichen seines Kreuzes aufhob,Das lat. Wort erigere verbindet das physische 'Aufheben' (=Tragen) mit dem Gestus des Zeigens und Proklamierens (im Sinne von 'aufrichten', damit alle es sehen). um es dann den Märtyrern zum Tragen zu übergeben. Es ist kein Jude, der das Kreuz trägt, sondern ein Fremder und ein Ausländer, der auch nicht vorangeht, sondern hinterher - so wie geschrieben steht: "Er nehme sein Kreuz auf sich, und folge mir nach" (Mk 8,34). (Ambrosius)

"Simon" aber bedeutet "gehorsam" und "Cyrene" bedeutet "Erbe", darum werden durch ihn die Heidenvölker bezeichnet, die einst vom Bund der Verheißungen ausgeschlossen oder [nur] Gäste waren (vgl. Eph 2,12), nun aber durch ihren Gehorsam zu Erben Gottes eingesetzt wurden. Simon aber verläßt sein eigenes Feld und folgt Jesus mit dem Kreuz, wenn er die heidnischen Riten hinter sich läßt und bereitwillig auf dem Weg geht, den das Leiden des Herrn vorgezeichnet hat. [...] (Beda)

Oder aber, jener nimmt das Kreuz, der vom [eigenen] Feld kommt, das heißt, er verläßt diese Welt und ihre Werke, und macht sich auf in Richtung Jerusalem, das heißt, zur himmlischen Freiheit (vgl. Gal 4,26). [...] (Theophylactus)

27 Es folgte eine große Menschenmenge, darunter auch Frauen, die um ihn klagten und weinten.

Eine große Menschenmenge folgte dem Kreuz des Herrn, aber nicht alle in derselben Absicht: denn das Volk, das seinen Tod verlangt hatte, wollte sich an seinem Tod ergötzen, die Frauen dagegen, wollten seinen Tod beweinen. Es war aber nicht so, daß eine ungezählte Menge von Männern nicht [ebenso] traurig über sein Leiden gewesen wäre, und deshalb nur Frauen ihm klagend folgten. [Vielmehr war es so,] daß das weibliche Geschlecht [...] freier zeigen konnte, was es fühlte. (Beda)

28 Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte: Ihr Frauen von Jerusalem, weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder!

Seine rasche Auferstehung konnte den Tod aufheben, sein Tod wird jeden Tod, ja selbst den Urheber des Todes vernichten. Man bemerkt auch, daß er sie als "Frauen von Jerusalem" anspricht, denn mit ihm gingen nicht nur die Frauen, die mit ihm von Galiläa gekommen waren, sondern auch die Bürgerinnen und Frauen dieser Stadt. (Beda)

29 Denn es kommen Tage, da wird man sagen: Wohl den Frauen, die unfruchtbar sind, die nicht geboren und nicht gestillt haben.
30 Dann wird man zu den Bergen sagen: Fallt auf uns!, und zu den Hügeln: Deckt uns zu!
31 Denn wenn das mit dem grünen Holz geschieht, was wird dann erst mit dem dürren werden?

Er nennt sich hier das grüne Holz, uns aber das dürre, denn er hatte die Kraft der Gottheit in sich, wir aber, die wir bloße Menschen sind, werden dürres Holz genannt. (Gregor der Große, Moralia)

Oder er will damit allen sagen: wenn ich, der ich keine Sünde getan habe und das Holz des Lebens genannt werde, nicht ohne das Feuer des Leidens aus dieser Welt hinausgehe - was für Qualen glaubt ihr, werden dem blühen, der keine Früchte [vorzuweisen] hat? (Beda)

32 Zusammen mit Jesus wurden auch zwei Verbrecher zur Hinrichtung geführt.
33 Sie kamen zur Schädelhöhe; dort kreuzigten sie ihn und die Verbrecher, den einen rechts von ihm, den andern links.

Dort wo das Verderben der Menschheit begann, dort hat Christus seinen Leib preisgegeben, damit da, wo Verderbnis und Tod gesät wurden, Heil und ewiges Leben aufgehen sollten.Der Text verwendet das Wortspiel corruptio - incorruptio, in dem beides steckt: die Schuld der Sünde und die Strafe des Todes. Deshalb wurde er auf Kalvaria gekreuzigt [...], weil nach dem Spruch der gelehrten Juden dort das Grab Adams ist. (Athanasius)

Oder auch: Sie waren außerhalb der Stadttore, wo die Verurteilten enthauptet wurden, und deshalb nannten sie den Ort Kalvaria, d.h. "Enthauptete". Und so wurde er für das Heil aller, gewissermaßen als Schuldiger unter Schuldigen gekreuzigt, damit da, wo die Sünde groß geworden ist, die Gnade übergroß wird (Röm 5,20). (Beda)

Wenn es anders gewesen wäre und er nach seinem Leben bei den Menschen verschwunden wäre, indem er den Tod meidend plötzlich davongeflogen wäre: dann wäre er für die Menschen nur ein Phantom gewesen. Man kann das auch mit jemandem vergleichen, der uns zeigen will, daß ein Gefäß vom Feuer nicht zerstört werden kann und stärker ist als die Natur des Feuers: er wirft es ins Feuer und zieht es dann unversehrt wieder heraus. So wollte auch das Wort Gottes zeigen, daß das Instrument, dessen es sich zur Rettung des Menschengeschlechtes bedient hatte, stärker ist als der Tod: um seine sterbliche Natur zu zeigen lieferte er sich dem Tod aus, wenig später aber holt er sie aus dem Tod heraus zum Zeichen seiner göttlichen Macht. Das ist der erste Grund für den Tod Christi. Der zweite Grund besteht im Aufweis der göttlichen Kraft, die dem Leib Christi innewohnt. In alter Zeit wurden Menschen vergöttlicht, die man Heroen oder Götter nannte, obwohl auch sie das [allen Menschen] gemeinsame Los des Todes ereilt hatte. [Christus] lehrt dagegen, daß er der einzige Sterbliche ist, den man als wahren Gott bekennen muß, denn ihn ziert der Siegespreis, da er den Tod zu Boden geworfen hat. Der dritte Grund ist das Opfer das für das ganze Menschengeschlecht geschlachtet werden mußte. Nachdem es dargebracht war, verging die Macht der Dämonen und jeder Irrtum war zum Schweigen gebracht. Es gibt aber noch einen anderen Grund für seinen heilbringenden Tod: damit die Jünger, deren Glaube noch im Verborgenen war, nach seinem Tod auf die Auferstehung blicken konnten und so gelehrt wurden, ihre eigene Hoffnung darauf zu setzen: den Tod nicht fürchtend, nahmen sie so mutig den Kampf gegen den Irrtum auf. (Eusebius)

Der Erlöser kam nicht um seinen Tod, den er nicht hatte, denn er ist das Leben, sondern um den Tod der Menschen zu vernichten. Darum starb er nicht eines natürlichen Todes,Lat.: propria morte - d.h. einen Tod, der durch den eigenen Leib und dessen natürliche Verfaßtheit kommt sondern ertrug den Tod, der ihm von Menschen beigebracht wurde. Sein Leib wurde auch nicht von einer Krankheit erfaßt und er vor den Augen aller dahingerafft, denn es war nicht angemessen, daß sein Leib von einer Krankheit befallen werden sollte, wo er doch die Krankheiten anderer geheilt hatte. Und wenn er ohne irgendeine Krankheit in aller Abgeschiedenheit gestorben wäre und sich dann wieder gezeigt hätte, so glaubte man ihm nicht, wenn er von Auferstehung spräche, den der Tod muß der Auferstehung vorausgehen. Warum auch sollte er die Auferstehung öffentlich verkündigen, dann aber heimlich sterben? Wenn das sich im Verborgenen ereignet hätte, möchte ich nicht wissen, was für Gerüchte sich Menschen ohne Glauben dann ausgedacht hätten! Wie sollte der Sieg Christi über den Tod sichtbar werden, wenn nicht dadurch, daß er ihn vor aller Augen erlitt und bewies, daß er ihn vernichtet hat, indem sein Leib darin nicht verweste und nicht verging. Vielleicht sagst du aber: es wäre doch angemessen gewesen, wenn er sich einen ruhmvollen Tod gewählt hätte und er die Schande des Kreuzes vermieden hätte. Wenn er so gehandelt hätte, dann hätte er sich dem Verdacht ausgeliefert, nicht über jede Art von Tod Gewalt zu haben. Auch ein Boxer zeigt, daß er allen überlegen ist, indem er gerade den niederstreckt, den seine Feinde ihm präsentiert haben. Und so nahm das Leben aller den Tod am Kreuz auf sich, weil es der Tod war, den seine Feinde wollten und den sie für einen grauenvollen, ehrlosen, verabscheuungswürdigen hielten; indem er diesen Tod tötete, wurde die Herrschaft des Todes insgesamt zerstört. Deshalb wurde er nicht enthauptet, wie Johannes, oder zersägt, wie Jesaja, sondern im Tod sollte er seinen Leib ganz und ungeteilt bewahren, damit sich daraus nicht eine Entschuldigung für die ergibt, die die Kirche spalten. Er wollte auch den Fluch, den wir uns zugezogen hatten, tragen, indem er einen verfluchten Tod, den des Kreuzes nämlich, auf sich nahm, wie es Deuteronomium 21 (v. 23) heißt: "Verflucht ist der Mensch, der am Baum hängt." Am Kreuz stirbt er auch mit ausgebreiteten Armen, damit er mit der einen Hand das alte Volk, mit der anderen die, die von den Heiden kommen, zu sich zieht und beide mit sich verbindet. [...] (Athanasius, de Incarnatione Verb. Dei)

Weil auch durch einen Baum der Tod in die Welt gekommen war, sollte er auch durch das Holz ausgelöscht werden. [...] (Theophylactus)

Die Figur des Kreuzes, die sich von einem Zentrum, wo sich [die beiden Balken] berühren, in vier Richtungen erstreckt, bezeichnet die sich überall hin erstreckende Macht und die Vorsehung dessen, der daran hängt. (Gregor von Nyssa)

Nicht ohne Grund wählte er eine Todesart, bei der er sich als Herr der Breite und der Höhe, der Länge und der Tiefe erwies. Denn die Breite findet man in dem Querbalken und der gehört zu den guten Werken, denn dort sind die Hände ausgestreckt. Die Länge aber ist in dem Längsbalken, der vom genannten Balken bis zur Erde hin sichtbar ist: dort ist er auf gewisse Weise aufgestellt, das heißt er steht und verharrt dort: das wird man der Langmut zuschreiben. Die Höhe findet man in dem Teil des Balkens, der sich vom Querbalken in die Höhe erstreckt: dieses ist am Haupt des Gekreuzigten, denn die Erwartung derer, die Gutes hoffen, richtet sich nach oben. Jener Teil des Holzes aber, der fest im Boden verborgen ist und aus dem sich das ganze erhebt, er bezeichnet die Tiefe der Gnade, die umsonst gegeben wird. (Augustinus, de quaest. Nov. et Veter. Testam.)

Die beiden Verbrecher, die mit Christus gekreuzigt wurden, bezeichnen jene, die an Christus glauben und das Leiden des Martyriums oder die Regel strenger Enthaltsamkeit auf sich nehmen: Das Tun des Schächers zur Rechten ahmen diejenigen nach, die das um der ewigen Herrlichkeit willen tun, das Tun des Schächers zur Linken dagegen diejenigen, die von den Menschen gelobt werden wollen. (Beda)

34 Jesus aber betete: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.

Man soll aber nicht meinen, daß er hier umsonst betete; worum er betete, erfüllte sich an denen, die nach seinem Leiden zum Glauben gefunden haben. Man muß zudem festhalten, daß er nicht für diejenigen betet, die den Sohn Gottes wissentlich kreuzigten und sich nicht zu ihm bekennen wollten, sondern für diejenigen, die nicht wußten was sie taten, die zwar Eifer für Gott hatten, aber nicht das rechte Wissen - darum fügte er hinzu: "Sie wissen nämlich nicht, was sie tun." (Beda)

Es ist wichtig zu erwägen, wie er an das Kreuz bestieg: ich sehe ihn nämlich nackt. Er macht sich daran die Welt zu besiegen, und darum besteigt er es so, daß er nicht nach den fragt, was die Welt zu bieten hat. [...] (Ambrosius)

Dann warfen sie das Los und verteilten seine Kleider unter sich.

Vielleicht waren mehrere unter ihnen die keine [Kleider] hatten, wahrscheinlicher aber ist es, daß sie es nur aus Ausgelassenheit taten, denn was sollten sie an den Kleidern wertvolles finden? (Theophylactus)

35 Die Leute standen dabei und schauten zu; auch die führenden Männer des Volkes verlachten ihn und sagten: Anderen hat er geholfen, nun soll er sich selbst helfen, wenn er der erwählte Messias Gottes ist.

Der Herr aber ist der wahre Erlöser, und er wollte nicht, daß man das daran erkennt, daß er sich selbst rettet, sondern daran, daß er der Schöpfung die Freiheit bringt. Einen Arzt erkennt man ja auch nicht daran, daß er sich selbst heilt, sondern daran daß er seine Kunst an den Kranken zeigt. Als der Erlöser hatte es der Herr deshalb nicht nötig, sich selbst zu retten, und er wollte sich nicht dadurch, daß er vom Kreuz herabstieg als Erlöser erweisen, sondern dadurch, daß er starb; durch seinen Tod bringt den Menschen nämlich ein viel größeres Heil, als wenn er vom Kreuz herabgestiegen wäre. (Athanasius)

36 Auch die Soldaten verspotteten ihn; sie traten vor ihn hin, reichten ihm Essig
37 und sagten: Wenn du der König der Juden bist, dann hilf dir selbst!
38 Über ihm war eine Tafel angebracht; auf ihr stand: Das ist der König der Juden.

Schau, mit welchem Scharfsinn der Teufels sich ein zweites Mal gegen Christus wendet: in drei Sprachen hatte er die Anklage gegen Jesus öffentlich gemacht, damit keinem der Vorbeigehenden verborgen bleiben sollte, daß er deswegen ans Kreuz gehenkt worden war, weil er sich selbst zum König machte. Man sagt ja, daß über ihm eine Aufschrift in griechischer, lateinischer und hebräischer Sprache angebracht war (Joh 19,20). Dadurch wird nun aber bezeichnet, daß die mächtigsten Völker, zu denen die Römer gehörten, die weisesten, wie die Griechen, und diejenigen, die Gott über alles verehren, wie es das jüdische Volk tat, sich alle der Herrschaft Christi unterwerfen müssen. (Theophylactus)

39 Einer der Verbrecher, die neben ihm hingen, verhöhnte ihn: Bist du denn nicht der Messias? Dann hilf dir selbst und auch uns!
40 Der andere aber wies ihn zurecht und sagte: Nicht einmal du fürchtest Gott? Dich hat doch das gleiche Urteil getroffen.
41 Uns geschieht recht, wir erhalten den Lohn für unsere Taten; dieser aber hat nichts Unrechtes getan.

Der Verurteilte nimmt hier die Stelle eines Richters ein und er, der vor Pilatus erst nach vielen Martern seine Verbrechen eingestand, er beginnt nun über die Wahrheit zu urteilen. Und wie anders ist es, wenn der Mensch urteilt, dem das Innerste verborgen bleibt, und wenn Gott urteilt, der den Geist ganz durchdringt. Dort freilich folgt auf das Bekenntnis die Strafe, hier aber geschieht das Bekenntnis zum Heil. [...] (Chrysostomus)

42 Dann sagte er: Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.

Die Hände und Füße des Schächers waren am Kreuz durch die Nägel gebunden, und nichts war frei von Qualen geblieben als das Herz und die Zunge. Und weil Gott es ihm eingab, brachte er ihm all das dar, was er frei in sich fand; und so glaubte er mit dem Herzen zu seiner Rechtfertigung und bekannte er mit dem Mund zu seinem Heil, wie geschrieben steht (vgl. Röm 10,10 Vg). Plötzlich von der Gnade erfüllt nahm der Schächer auch die drei Tugenden, die der Apostel nennt (1 Kor 13,13), an und bewahrte sie am Kreuz. Denn Glauben hatte er, der glaubte, daß der als Gott herrschen werde, den er mit sich auf gleiche Weise sterben sah; Hoffnung hatte er, der Jesus um den Zutritt zu seinem Reich bat; und in seinem Tod noch hielt er die Liebe lebendig, als er den Bruder und Mit-Schächer, der für ein ähnliches Verbrechen starb, wegen seiner Ungerechtigkeit Lügen strafte. (Gregor der Große, Moralia)

Hier wird ein sehr schönes Beispiel gegeben, wie einer sich eifrig um Bekehrung bemüht hat, denn dem Schächer wird ganz rasch Verzeihung gewährt. Schnell vergibt der Herr ihm, da er sich so schnell bekehrte, und die gewährte Gnade übertrifft die Bitte, denn der Herr gibt immer mehr als worum er gebeten wird. Jener bat, daß er seiner eingedenk sein solle, über den Herrn aber heißt es: "Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein." Mit Christus zu sein ist nämlich das Leben und wo Christus ist, dort ist das [Himmel-]Reich. (Ambrosius)

[...] Wenn aber die Belohnung der Guten [hier] schon geschehen ist, wird dann dadurch die Auferstehung überflüssig? Wenn er nämlich den Schächer ins Paradies eingelassen hat, sein verderbter Körper aber draußen zurückbleibt, dann ist klar, daß es keine Auferstehung der Leiber gibt. So sagen jene, aber soll etwa das Fleisch, das an den Mühen [um das Heil] teilgenommen hat, um seinen Lohn gebracht werden? Höre, was Paulus sagt: "Dieses Vergängliche muß sich mit Unvergänglichkeit bekleiden" (1 Kor 15,53). Doch wenn der Herr ihm das Himmelreich versprochen hat, ihn aber [statt dessen] ins [irdische] Paradies führte, dann hat er ihm den Lohn noch nicht gegeben. Sie sagen aber: Das Himmelreich bezeichnet er hier als Paradies, er verwendet den bekannten Namen, wenn er mit dem Schächer spricht, der ja von den tiefergehenden Lehren noch nichts gehört hatte. Manche lesen aber die Stelle nicht so: "Heute wirst du mit mir im Paradiese sein", sondern so: "Ich sage dir heute: Du wirst mit mir im Paradiese sein." Ich will aber eine noch einleuchtendere Erklärung anschließen: Wenn ein Mediziner einen [Patienten] in ganz aussichtsloser Verfassung sieht, dann sagt er: "Er ist bereits tot!" In demselben Sinne kann man von dem Schächer, der nicht mehr fürchtete ins Verderben zurückzufallen, sagen, er habe das Paradies bereits betreten. (Chrysostomus)

Doch wahrer als alles andere ist das: wenn der Schächer und die übrigen Heiligen auch die Erfüllung aller Verheißungen noch nicht erlangt haben (damit sie nämlich nicht ohne uns zur Vollendung gelangen, wie der Hebräerbrief [11,40] sagt), so sind sie doch im Himmelreich und im Paradies. (Theophylactus)

43 Jesus antwortete ihm: Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.
44 Es war etwa um die sechste Stunde, als eine Finsternis über das ganze Land hereinbrach. Sie dauerte bis zur neunten Stunde.
45 Die Sonne verdunkelte sich. Der Vorhang im Tempel riß mitten entzwei,

Daß die Sonnenfinsternis nicht durch den gewöhnlichen Lauf der Gestirne zustande kam, wird zur Genüge dadurch deutlich, daß zu dieser Zeit das Paschafest der Juden war, das feierlich am Tag des Vollmondes begangen wird; eine reguläre Sonnenfinsternis findet aber nur bei Neumond statt. (Augustinus, de Cons. Evang.)

Dieses Zeichen geschah also, um zu zeigen, daß, wer hier den Tod auf sich genommen hatte, der Lenker der ganzen Schöpfung ist. (Graecus)

Durch das Zerreißen des Vorhangs wird auch gezeigt, daß der Vorhang, der uns vom Heiligen, das im Himmel ist, trennt, zerriß - gemeint sind die Feindschaft gegen Gott und die Sünde. (Theophylactus)

46 und Jesus rief laut: Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist. Nach diesen Worten hauchte er den Geist aus.

Indem er den Vater anruft, erklärt er, daß er der Sohn Gottes ist; indem er ihm seinen Geist anempfiehlt, zeigt er nicht, daß es ihm an Macht mangelt, sondern daß er darauf vertraut, dieselbe Macht wie der Vater zu besitzen. (Beda)

Dieses Wort lehrt uns auch, daß die Seelen der Heiligen nicht mehr in der Unterwelt eingeschlossen sind wie zuvor, sondern daß sie [nun] bei Gott sind, wobei Christus den Anfang macht. (Cyrill)

Christus empfiehlt sich dem Vater durch alle Toten, die in ihm lebendig geworden sind, denn wir sind seine Glieder, nach jenem Wort des Apostels: "Ihr alle seid einer in Christus" (Gal 3,28). (Athanasius)

Hier ist auch zu untersuchen, wie der Herr zur selben Zeit an drei verschiedenen Orten sein kann: im Leib der Erde, wie er den Pharisäern gesagt hatte (Mt 12,40), im Paradies Gottes, wie er dem Schächer sagte, in den väterlichen Händen, wie es hier heißt. Doch, wer recht überlegt, für den ist das kaum einer Frage wert, denn wer durch seine göttliche Macht überall ist, der ist an jedem Ort gegenwärtig. [...] Eine andere Lösung besteht darin, daß er in der Zeit seines Leidens keinen Teil seiner Menschheit [d.h. weder Leib noch Seele], die ja ein [für alle] Mal mit der Gottheit vereinigt war, aufgab, sondern aus freiem Willen die Trennung von Seele und Leib zuließ, dabei zeigte er zugleich, daß er [seiner Gottheit nach] in beiden Teilen geblieben war, den durch den Körper, mit dem er den Tod aufnahm, vertrieb er die Macht des Todes, durch seine Seele aber bereitete er dem Schächer den Eingang ins Paradies. Und Jesaja spricht vom himmlischen Jerusalem, das nichts anderes als das Paradies ist: "In meine Hände habe ich deine Mauern eingezeichnet" (Jes 49,16 Vg) Dadurch ist offenbar, daß er im Paradies in der Hand des Vaters wohnte. (Gregor von Nyssa)

Oder, um es noch deutlicher zu sagen: seinem Leib nach war er Grab, seiner Seele nach war er in der Unterwelt; als Gott aber war er mit dem Schächer im Paradies und mit dem Vater und dem Heiligen Geist auf dem Thron [seiner Herrlichkeit]. (Johannes Damascenus)

"Er gab seinen Geist auf" (Joh 19,30), denn nicht gegen seinen Willen verlor er ihn; wenn nämlich etwas ausgesandt wird,Lat.: emittitur so geschieht es willentlich; wenn etwas verloren wird, so geschieht das mit Notwendigkeit. (Ambrosius)

47 Als der Hauptmann sah, was geschehen war, pries er Gott und sagte: Das war wirklich ein gerechter Mensch.

Als er sofort nach jenen [letzten] Worten den Geist aufgab, da wunderten sich die Anwesenden sehr, denn die am Holze gehenkten quält [für gewöhnlich] ein langer Todeskampf, und darum heißt es, daß der Hauptmann, als er sah, was geschehen war, Gott pries [...]. (Augustinus, de Trin.)

48 Und alle, die zu diesem Schauspiel herbeigeströmt waren und sahen, was sich ereignet hatte, schlugen sich an die Brust und gingen betroffen weg.

Hier scheint nun das einzutreten, was der Herr gesagt hatte: "wenn ich über die Erde erhöht bin, werde alle zu mir ziehen" (Joh 12,32), Denn am Kreuz erhöht zog er den Schächer und den Hauptmann zu sich, aber auch einige der Juden, wie es hier heißt. (Theophylactus)

Man kann es auf zwei Weisen verstehen, daß sie sich an die Brust schlugen, denn das ist ein Zeichen der Reue und der Trauer: entweder trauerten sie über seinen unrechtmäßigen Tod, da sie ihn im Leben geliebt hatten, oder sie fürchteten, daß er, dessen Tod sie gefordert hatten, im Tod eine noch größere Herrlichkeit erlangen werde. Man bemerkt außerdem, daß die Heiden, die Gott fürchten [d.h. der Hauptmann], sich mit offenen Worten zu ihm bekennen und ihm so die Ehre geben, während die Juden sich nur auf die Brust schlagen und schweigend nach Hause gehen. (Beda)

49 Alle seine Bekannten aber standen in einiger Entfernung (vom Kreuz), auch die Frauen, die ihm seit der Zeit in Galiläa nachgefolgt waren und die alles mit ansahen.

Die Frauen aber, die einst [im Paradies] verflucht wurden, bleiben und sehen alles an [...] und so werden erfahren sie als erste die Wärme der Rechtfertigung (oder des Segens der von seine Passion kommt) und auch der Auferstehung. (Theophylactus)

50/51 Damals gehörte zu den Mitgliedern des Hohen Rates ein Mann namens Josef, der aus der jüdischen Stadt Arimathäa stammte. Er wartete auf das Reich Gottes und hatte dem, was die anderen beschlossen und taten, nicht zugestimmt, weil er gut und gerecht war.
52 Er ging zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu.

Johannes sagt, daß er ein Jünger Jesu war, darum heißt es hier: "Er wartete auf das Reich Gottes." Es verwundert aber zu Recht, daß er, der aus Furcht nur im Verborgenen ein Jünger war, den Mut aufbrachte, um den Leib Jesu zu bitten, was sich keiner von denen, die ihm offen nachfolgten, getraute. [...] Man versteht, daß er das im Vertrauen auf seine hohe Stellung getan hat, denn durch sie konnte er frei bei Pilatus ein- [und ausgehen]. Bei diesem letzten Dienst, den er ihm durch die Bestattung tat, scheint er sich kaum um die [Meinung der] Juden gekümmert zu haben, obwohl das seine Gewohnheit war, wenn er den Herrn hörte, um ihre Feindseligkeiten zu vermeiden. (Augustinus, de cons. Evang.)

53 Und er nahm ihn vom Kreuz, hüllte ihn in ein Leinentuch und legte ihn in ein Felsengrab, in dem noch niemand bestattet worden war.

Die einfache Bestattung, die dem Herrn zuteil wurde, tadelt die Eitelkeit der Reichen, die nicht einmal im Grab auf ihren Reichtum verzichten können. (Beda)

54 Das war am Rüsttag, kurz bevor der Sabbat anbrach.

[...] Weil aber am sechsten Tag der Mensch erschaffen wurde, erfüllte der Herr zu Recht am sechsten Tag das Geheimnis der menschlichen Erlösung. Darum heißt es: "Das war am Rüsttag", denn Rüsttag (parasceve) heißt übersetzt "Vorbereitung", so nannte man den sechsten Tag, weil an diesem Tag alles, was für den Sabbat nötig war, vorbereitet wurde. Weil der Schöpfer aber am siebten Tag von seinem Werk ruhte (Gen 2,2), darum ruhte der Herr am Sabbat im Grab [...]. Oben haben wir gelesen, daß alle seine Bekannten in einiger Entfernung vom Kreuz standen, auch die Frauen, die ihm gefolgt waren. Diese Bekannten gingen nach der Abnahme seines Leichnams nach Hause, nur die Frauen, die ihn inniger liebten, folgten dem Leichenzug, weil sie sehen wollten, wohin er gelegt würde.. [...] (Beda)

55 Die Frauen, die mit Jesus aus Galiläa gekommen waren, gaben ihm das Geleit und sahen zu, wie der Leichnam in das Grab gelegt wurde.
56 Dann kehrten sie heim und bereiteten wohlriechende Öle und Salben zu. Am Sabbat aber hielten sie die vom Gesetz vorgeschriebene Ruhe ein.

Noch hatten sie nicht den notwendigen Glauben, denn sie bereiteten für ihn wie für einen bloßen Menschen Salben und Öle zu, wie es der Brauch bei den Juden war, die das an den Toten taten. (Theophylactus)

Noch der Bestattung des Herrn waren sie eifrig damit beschäftigt, die Salben vorzubereiten, solange sie noch eine Arbeit verrichten durften, das heißt bis zum Sonnenuntergang. Den das Gebot schrieb vor, daß die Sabbatruhe von diesem Abend bis zum nächsten eingehalten wurde. (Beda)

Es hat eine geistliche Bedeutung, daß ein gerechter Mann den Leib Christi bestattet, denn die Besattung Christi sollte so sein, daß weder Trug noch Ungerechtigkeit dabei war. Und Matthäus nennt [den Mann] zu Recht reich, denn: indem er den Reichen aufnahm, kannte er die Armut des Glaubens nicht. Der Gerechte bedeckt den Leib Christi mit einem Leinen: Bekleide also auch du den Leib des Herrn mit seiner Herrlichkeit, und du wirst selbst gerecht sein. Und wenn du glaubst, er sei tot, dann bedecke ihn doch mit der Fülle seiner Göttlichkeit; aber auch die Kirche wird mit der Gnade der Unschuld bekleidet. (Ambrosius)

Der aber wickelt Jesus in ein reines Leinentuch, der ihn reinen Herzens aufnimmt. (Beda)

Nicht zufällig nennt es der Evangelist zum einen ein neues Grab, zum anderen das Grab Josephs (Mt 27,60). Denn ein Grab wird denen bereitet, die unter dem Gesetz gestorben sind, der Sieger über den Tod aber hat kein eigenes Grab. Denn was hätten den ein Grab und Gott gemeinsam? [...] (Ambrosius)

Der Herr wurde am sechten Tag gekreuzigt, am siebten ruhte er im Grab. Das bedeutet, daß wir im sechsten ZeitalterDas ist das Zeitalter der Kirche, das mit dem Tod Christi begann und bis zum Ende der Welt dauern wird. für den Herrn leiden und gewissermaßen der Welt gekreuzigt werden müssen; im siebten Zeitalter, das heißt nach dem Tod, ruhen die Körper in den Gräbern, die Seelen aber ruhen beim Herrn.
Und bis heute lassen heilige Frauen, das heißt, demütige Seelen, die vor Liebe brennen, sich von der Passion Christi leiten; und wenn sie einmal die Möglichkeit haben, sie nachzuahmen, dann erwägen sie sorgfältig jeden Schritt, wie sein Leidensweg sich erfüllt hat: und wenn sie das gelesen, gehört und dem Gedächtnis anvertraut haben, dann machen sie sich daran, die Werke der Tugend zu tun, durch die sie Christus erfreuen können, damit sie schließlich, wenn der Rüsttag des gegenwärtigen Lebens zu Ende kommt selig ruhen und zur Zeit der Auferstehung Christus entgegeneilen können mit den wohlriechenden Salben ihrer geistlichen Werke. (Beda)

 
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