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LESEJAHR C

Die Zeit im Jahreskreis

17. SONNTAG IM JAHRESKREIS

 

Zur LeseordnungEVANGELIUM   Lk 11,1-13
 
Bittet, dann wird euch gegeben
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
 
1 Jesus betete einmal an einem Ort; und als er das Gebet beendet hatte, sagte einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie schon Johannes seine Jünger beten gelehrt hat.

Wenn er alles Gute in Fülle hat, warum betet er? Er hat doch [alles] in Fülle und in nichts fehlt ihm etwas. - Darauf sagen wir: Er tut es, weil es der Weise, wie er im Fleisch weilt, entspricht: denn er wollte alles Menschliche zur jeweils passenden Zeit tun.Wenn er also ißt und trinkt, so ist es auch angemessen, daß er sich des Gebets bedient, um uns zu zeigen, daß wir in der Gebetspraxis nicht lau sein, sondern sorgfältig daran festhalten sollen. (Cyrill)

Die Jünger hatten seine neue Weise zu leben gesehen, also verlangten sie auch nach einer neuen Form des Gebetes, denn im Alten Testament sind bereits mehrere Gebete enthalten. [...] (Titus)

2 Da sagte er zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme.

Es gibt zwei Weisen zu beten: Die eine ist das Lob in Demut, die andere - nachlässigere - aber die Bitte. Sooft du also betest, fall nicht sofort mit der Tür ins Haus, indem du eine Bitte ausspricht - es sei denn, du klagst dich einer Leidenschaft [die dich gerade bedrängt] an und bittest Gott aus dieser Not. Vielmehr, wenn du zu beten beginnst, dann laß alles Geschöpfliche, das Sichtbare und das Unsichtbare, hinter dir und lobe zuerst den, der [das] alles geschaffen hat. Darum heißt es: "Und er sagte zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater." (Basilius der Große, Const. Monast. 1)

Was für eine Gnade spricht schon das erste Wort aus! Du wagtest nicht, zum Himmel hinaufzublicken, und doch hast du auf einmal die Gnade Christi empfangen. Vom bösen Knecht bist du zum guten Sohn geworden. Doch maße dir nicht an, daß das deine Leistung ist, es ist die Gnade Christi. Zu sagen aber, was du empfangen hast, das ist nicht Anmaßung, sondern [demütiger] Glaube, das ist nicht Hochmut, sondern Hingabe. [...]
Und deshalb heißt es bei Matthäus "Vater unser" und es wird hinzugefügt "der du bist in den Himmeln", in jenen Himmeln, von denen es heißt: "die Himmel künden die Herrlichkeit des Herrn" (Ps 19,2). Der Himmel aber ist da, wo die Schuld aufgehört hat und es keine tödliche Wunde mehr gibt. (Pseudo-Augustinus, App. Serm. 84)

[...] Der Anfang alles Guten aber besteht darin, den Namen Gottes in unserem Leben zu verherrlichen. Darum wird hinzugefügt: "Geheiligt werde dein Name". Denn wer ist so stumpfsinnig,Lat.: bestialis - tierisch daß er zwar das Leben in Reinheit bei den Gläubigen sieht, aber nicht den Namen dessen verherrlicht, der in einem solchen Leben angerufen wird? Wer also im Gebet spricht: "Geheiligt werde dein Name" - den ich gerade anrufe - der bittet um folgendes: ich möchte mit DEINER Hilfe das Rechte tunLat: fiam iustus -  'ich will gerecht(fertigt) sein'. und mich von allem Bösen fernhalten. (Gregor von Nyssa, Orat. Dom., Serm. 3)

Wenn einer die Schönheit des Himmels erblickt, dann sagt er: "Ehre sei dir, o Herr." - Und genauso [soll man sagen], wenn man die Tugendhaftigkeit eines Menschen erkennt, denn menschliche Tugend verherrlicht Gott noch mehr als der Himmel. (Chrysostomus)

Das Reich Gottes kommt aber dann, wenn wir SEINE Gnade erlangt haben, sagt er doch selbst: "Das Reich Gottes ist in euch." (Lk 17,21 Vg) (Pseudo-Augustinus)

3 Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen.

Im Griechischen steht da "epiousion", das heißt "über-wesentlich" (supersubstantialis). Es ist also nicht das Brot, das vom Körper aufgenommen wird, sondern jenes Brot des ewigen Lebens, das die Substanz unserer Seele stärkt. Der Lateiner nennt es aber das "tägliche Brot", die Griechen nennen es das "zukommende". Wenn es aber das tägliche Brot ist, warum nimmst du es nur einmal im Jahr zu dir, wie es die Griechen im Orient tun? Empfange täglich, was dir jeden Tag von Nutzen ist, und lebe so, daß du verdienst, es täglich zu empfangen. Es bezeichnet den Tod des Herrn und die Vergebung der Sünden. Wer eine Wunde hat, der verlangt nach Medizin: die Wunde ist, daß wir unter der [Herrschaft der] Sünde leben, die Medizin ist dieses himmlische und verehrungswürdige Sakrament. Wenn du es täglich empfängst, dann ist für dich immer "heute": Christus ersteht für dich täglich auf, denn heute ist es, da Christus aufersteht. (Pseudo-Augustinus, App. Serm. 84)

Man mag vielleicht glauben, daß es sich für die Heiligen nicht schickt, um Materielles zu bitten, und deswegen legt man dem Gesagten einen geistigen Sinn zu. Ich aber gestehe gerne zu, daß es den Heiligen vor allem ansteht, sich einzusetzen, um geistige Güter zu erhalten; doch man muß auch sehen, daß es nicht tadelnswert ist, wenn sie nach dem Willen des Herrn um das gewöhnliche Brot bitten: Wenn er ihnen nämlich aufträgt, um Brot, das heißt um die tägliche Nahrung, zu bitten, so wird deutlich, daß er nicht will, daß sie etwas besitzen, sondern sie sollen vielmehr die Armut in Würde pflegen - denn nicht der bittet um Brot, der [viel] besitzt, sondern der, der in Not und unterdrückt ist. (Cyrill)

4 Und erlaß uns unsere Sünden; denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist. Und führe uns nicht in Versuchung.

Das wird mit Notwendigkeit hinzugefügt, damit wir nicht wegen unserer menschlichen Sünden an der Teilnahme am Heiligen [Mahl] gehindert werden - denn man findet niemand, der keine Sünde hat. Wir sind gehalten, uns um Christi willen in jeder Hinsicht als heilig zu erweisen, denn er ließ den Heiligen Geist in uns wohnen. Also ist es unsere Schuld, wenn wir ihm seinen TempelVgl. 1 Kor 3,16 nicht rein bewahren. Gott aber hilft in seiner Güte diesem Mangel ab, indem er der menschlichen Schwachheit die Strafe für die Sünden nachläßt. Von dem gerechten Gott wird das dann zu Recht getan, wenn auch wir unseren Schuldnern [die Schuld] nachlassen, denen nämlich, die uns Schaden zugefügt haben und die uns nicht behandelt haben, wie es schuldig gewesen wäre. (Titus)

Er will nämlich sozusagen, daß Gott sich genauso geduldig erweist wie der Mensch, wenn er bittet, von Gott - der gerecht zuteilt und sich aller zu erbarmen weiß - mit derselben Güte behandelt zu werden, wie er sie seinen Mitmenschen erwiesen hat. (Cyrill)

Was ist die Schuld anderes als die Sünde? Wenn du nicht von einem Fremden ein Darlehen aufgenommen hättest, dann stündest du nicht in der Schuld, und darum wird dir die Sünde angerechnet. Du hattest ein Vermögen, mit dem du reich geboren warst: nach dem Bild und Gleichnis Gottes warst du geschaffen. Doch du hast vertan, was du besaßt. Denn indem du den HochmutNämlich, wie Gott zu sein. für dich reklamiertest, hast du das Vermögen der Demut verspielt. Du hast vom Teufel ein Darlehen aufgenommen, das nicht notwendig war, und [fortan] hatte der Feind deinen Schuldschein. Doch der Herr hat ihn ans Kreuz geschlagen und mit seinem Blut zunichte gemacht.Vgl. Kol 2,14 Und der Herr, der die Sünde weggenommen hat und unsere Schulden bezahlte, der hat auch die Macht, uns vor den Anschlägen des Teufels zu bewahren, der uns nur in Schuld stürzen will.Wörtlich: qui culpam generare consuevit Darum folgt: "Und führe uns nicht in Versuchung", das heißt in eine solche, der wir nicht standhalten können; doch - vergleichbar einem Wettkämpfer - will er eine solche Versuchung, die das menschliche Vermögen aushalten kann. (Pseudo-Augustinus)

Vom Teufel nicht versucht zu werden, ist unmöglich; wir bitten aber darum, daß wir von Gott in der Versuchung nicht alleine gelassen werden. [...] (Titus)

Doch [Lukas] schreibt nicht, was Matthäus als letztes hinzufügte: "sondern befreie uns vom Bösen" (Mt 6,13). Dadurch sollen wir erkennen, das es zu dem gehört, was oben über die Versuchung gesagt wurde. Und deshalb sagt er auch: "sondern befreie uns" und nicht "und befreie uns", um zu zeigen, daß es sich um eine Bitte handelt: Tue nicht das, sondern das. Und jeder soll wissen, daß er dadurch vom Bösen befreit wird, daß er nicht in Versuchung geführt wird. (Augustinus, In Enchir. 116)

5 Dann sagte er zu ihnen: Wenn einer von euch einen Freund hat und um Mitternacht zu ihm geht und sagt: Freund, leih mir drei Brote;
6 denn einer meiner Freunde, der auf Reisen ist, ist zu mir gekommen, und ich habe ihm nichts anzubieten!,

Auf die Bitte der Apostel hin hatte der Herr sie gelehrt, wie man beten soll. Nun könnte es freilich sein, daß diejenigen, die diese heilbringende Belehrung empfangen haben, ihre Bitten zwar in der überlieferten Form vorbringen, dies aber nachlässig und ohne Eifer tun und wenn ihr Gebet beim ersten oder zweiten Mal noch nicht erhört wurde, sie ganz davon ablassen. Damit uns das nicht passiert, macht er durch ein Gleichnis deutlich, daß der Kleinmut beim Beten Schaden bringt, während es sehr von Nutzen ist, darin Geduld zu zeigen. (Cyrill)

Und wer ist mehr unser Freund, als der der, der seinen Leib für uns hingegeben hat? Hier wird uns aber noch eine andere Art von Gebot gegeben, daß nämlich das Gebet zu jeder Zeit - also nicht nur bei Tag, sondern auch bei Nacht - Gott dargebracht werden soll. Es heißt nämlich, daß er um Mitternacht zu jenem ging. Auf diese Weise hat David gebetet, als er sagte: "um Mitternacht stehe ich auf, um dich zu preisen" (Ps 119,62); denn er fürchtete sich nicht den zu wecken, von dem er wußte, daß er stets wacht. Doch wenn jener - obwohl beschäftigt mit dem, was für sein Reich notwendig war - so heilig war, daß er siebenmal am Tag Gott lobte (Ps 119,64), was sollen dann wir tun, die wir umso mehr bitten müssen, als wir häufiger aufgrund leiblicher oder geistiger Schwächen sündigen.
Doch indem du den Herrn, deinen Gott, liebst, kannst du nicht nur für dich, sondern auch für andere Verdienste erwerben. Es heißt nämlich: "Und er sagte: Freund, leih mir drei Brote; denn einer meiner Freunde, der auf Reisen ist, ist zu mir gekommen, und ich habe ihm nichts anzubieten!" (Ambrosius)

Doch was sind die drei Brote anderes als die Nahrung des himmlischen Mysteriums. Es kann nämlich sein, daß einer von einem Freund etwas gefragt wird, worauf er nicht antworten kann. Und dann steht er da und hat nichts, wenn er sich verpflichtet sieht, etwas zu geben. Der Freund kommt also zu dir von den Wegen dieser Welt, auf denen alle wie Fremde vorübergehen und keiner bleibt wie einer der [das Leben] wirklich besitzt. Jedem Menschen wird doch gesagt: "Weiche, und mach Platz für den, der kommen wird."Vgl. Sir 29,33f. Vg Er kommt vielleicht von einem üblen Weg, das heißt von einem schlimmen Leben, und ist müde - irgendeiner deiner Freunde, der die Wahrheit nicht findet, durch die er selig wird. Er kommt zu dir als einem Christen und sagt: "Leg mir Rechenschaft ab" (Vgl. 1 Petr 3,15). Und er fragt, worauf du in der Einfachheit deines Glaubens keine Antwort weißt; und es gibt nichts, womit du den Hungrigen erquicken kannst und du mußt in den Büchern des Herrn nachschauen, denn vielleicht steht das, was er fragte, in einem Buch. Aber: die Stelle ist dunkel und Paulus selbst oder Petrus oder irgendeinen der Propheten kannst du nicht fragen: denn die ganze Familie schläft schon zusammen mit ihrem Herrn. Und die Unkenntnis dieser Welt ist groß, das heißt es ist mitten in der Nacht; der hungrige Freund aber drängt, weil ihm dein simpler Glaube nicht genügt. Muß er dann aufgegeben werden? Klopfe doch im Gebet beim Herrn selbst an, mit dem zusammen die ganze Familie schläft! [...] (Augustinus, Serm. 105: De verb. Dom.)

7 wird dann etwa der Mann drinnen antworten: Laß mich in Ruhe, die Tür ist schon verschlossen, und meine Kinder schlafen bei mir; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben?

Vielleicht hält [Gott das Erbetene] absichtlich zurück, weil er die Beständigkeit und Häufigkeit deines Umgangs mit ihm verdoppeln möchte, und damit du erkennst, was die Gabe Gottes ist (vgl. Joh 4,10), und in Ehrfurcht das Gegebene bewahrst. Was sich einer nämlich durch viele Mühen erworben hat, das bemüht er sich zu bewahren, damit er nicht mit ihm seine ganzen Mühen verliert. (Basilius der Große, Const. Mon. 1)

8 Ich sage euch: Wenn er schon nicht deswegen aufsteht und ihm seine Bitte erfüllt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seiner Zudringlichkeit aufstehen und ihm geben, was er braucht.

Eine andere Auslegung ist folgende: Der Freund, der mitten in der Nacht angegangen wird, damit er die drei Brote hergibt, wird jedenfalls als ein Gleichnis hingestellt für den, der Gott in seiner Not bittet, daß er ihm die Einsicht in die Dreifaltigkeit gebe, um dadurch in den Mühen seines gegenwärtigen Lebens getröstet zu werden.Vgl. 2 Kor 4,16-18 Seine Bedrängnis nämlich ist die Mitte der Nacht, durch die er gezwungen wird, so inständig zu bitten. [...] Als Freund, der des Weges kommt, wird man die Begierde des Menschen verstehen, der der Vernunft gehorchen sollte, statt dessen aber der irdischen Gewohnheit dient - und diese heißt "Weg" wegen all des Vergänglichen. Wenn sich der Mensch aber zu Gott bekehrt hat, dann wird auch diese Begierde von der Gewohnheit zurückgerufen. Wenn er aber nicht durch die innere Freude, die von der geistlichen Lehre kommt, getröstet wird - sie verkündet ja die Dreifaltigkeit des Schöpfers - dann herrscht große Not im Inneren des Menschen, den sein Todesschicksal bedrängt: denn von dem, was ihn äußerlich erfreut, soll er sich fernhalten, in seinem Inneren aber findet er keine Erquickung durch die Freude der geistlichen Lehre. Durch das Gebet aber kommt es, daß der, der vom Herrn Einsicht erlangen will, sie auch empfängt - auch wenn es an einem Menschen fehlen sollte, der diese Weisheit verkündet. Darum folgt [...]: "Ich sage euch: Wenn er schon nicht deswegen aufsteht und ihm seine Bitte erfüllt, weil er sein Freund ist, so wird er doch wegen seiner Zudringlichkeit aufstehen und ihm geben, was er braucht."
Der Vergleich schließt vom Geringeren aufs Größere: Denn wenn ein menschlicher Freund von seinem Bett aufsteht und gibt - nicht von der Freundschaft, sondern vom Überdruß dazu gedrängt - um wieviel mehr gibt Gott, der ohne Überdruß reichlich das schenkt, worum er gebeten wird? (Augustinus, De quaest. Ev. II, 21)

Wenn du aber die drei Brote erhalten hast, das heißt die Nahrung und die Erkenntnis der Dreifaltigkeit, dann hast du, wovon du leben und wovon du andere nähren kannst. Und: Fürchte dich nicht, höre nicht auf [zu genießen], denn jenes Brot wird kein Ende nehmen, sondern es wird deinem Bedürfnis ein Ende setzen! Lerne und lehre! Lebe [selbst] und nähre andere! (Augustinus, Serm. 105)

Oder noch einmal anders: Die Mitte der Nacht ist das Ende des Lebens, an dem viele zu Gott kommen. Der Freund aber ist der Engel, der die Seele aufnimmt.
Oder: die Mitte der Nacht ist die Tiefe der Versuchung, in der man von Gott drei Brote erbittet: nämlich das, was für den Leib, die Seele und den Geist notwendig ist, damit man in den Versuchungen nicht in Gefahr kommt [zu fallen]. Der [andere] Freund aber, der des Weges kommt, ist Gott selbst, der uns in den Versuchungen prüft: [der Mensch] aber, der in der Versuchung schwach ist, hat nichts, was er ihm anbieten könnte.
Wenn es aber heißt, daß die Tür schon geschlossen ist, so will er uns dadurch lehren, daß wir vor Versuchungen vorbereitet sein sollen, nachdem wir aber in die Versuchung gefallen sind, ist die Tür der Vorbereitung geschlossen, und wenn sie uns unvorbereitet trifft, dann sind wir in Lebensgefahr - wenn nicht Gott selbst hilft. (Theophylactus)

9 Darum sage ich euch: Bittet, dann wird euch gegeben; sucht, dann werdet ihr finden; klopft an, dann wird euch geöffnet.

Wenn es heißt: "Darum sage ich euch", so hat das die Kraft eines Schwurs, denn Gott lügt nicht. Doch wann immer er seinen Hörern etwas durch einen Eid bestätigt, so zeigt er dadurch [nur] wie unentschuldbar unser Kleinglaube ist. (Cyrill)

10 Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet.

Mit "Bitten" aber bezeichnet er das Gebet, mit "Suchen" den Eifer und die Mühe, wenn er hinzufügt: "Sucht, und ihr werdet finden! Was man nämlich sucht, auf das verwendet man große Sorge - und besonders gilt das bei Gott: denn vieles gibt es, was unseren Verstand hindert [ihn zu finden]. Wie man also das verlorene Gold[stück] sucht, so soll man sich bemühen, Gott zu suchen. Er zeigt aber auch, daß wir auch dann warten sollen, wenn er nicht sofort die Türe öffnet, denn es heißt: "Klopft an, und es wird euch geöffnet werden!" Denn wenn du weiter suchst, dann wirst du ganz bestimmt empfangen. Und der Eingang ist deswegen geschlossen, damit du anklopfst; und er stimmt nur deswegen nicht sofort zu, damit du umso flehentlicher bittest. (Chrysostomus, Hom. 23 in Matth.)

Oder er sagt deswegen "Klopft an", weil er uns nahelegen möchte, unser Bitten mit entsprechendem Tun zu verbinden.Lat.: insinuat petere cum effectu Denn man klopft mit der Hand an, die Hand aber ist das Zeichen für gute Werke. [...]
Oder: "Bitten" bedeutet beten; "Suchen" bedeutet, sich durch gute Werke so zu verhalten, wie es dem Gebet angemessen ist; "Klopfen" aber bedeutet beim Gebet zu verweilen und darin nicht nachzulassen. (Graecus)

Er würde uns aber nicht ermuntern zu bitten, wenn er nichts geben wollte. Doch schämen soll sich der Mensch in seiner Verdrossenheit: denn er will mehr geben, als wir bereit sind anzunehmen. (Augustinus, Serm. 105)

Nun mag einer fragen, wie es kommt, daß manche beim Beten nicht erhört werden. Dazu ist zu sagen, daß jeder, der auf rechte Weise bittet und selbst nichts unterläßt, was dazu beiträgt, daß er das Erbetene erhält, wirklich erhalten wird, worum er gebeten hat. Wenn sich aber einer abwendet von der Aufgabe, in rechter Weise zu bitten (weil er nicht bittet, wie es sich schickt), dann bittet er nicht wirklich. Wenn er dann aber nichts erhält, dann wird das, was hier gesagt ist, dadurch nicht widerlegt. - Es ist wie bei einem Lehrer, der sagt: "Wer zu mir kommt, der bekommt Kenntnis in der Wissenschaft." Das "zum Lehrer gehen" muß man ja in Wahrheit so verstehen, daß sich einer mit Eifer und Hingabe Zeit nimmt für dessen Lehren. Auch Jakobus sagte ja: "Ihr bittet und empfangt doch nichts, weil ihr in böser Absicht bittet" (Jak 4,3), das heißt um eurer nichtigen Leidenschaften willen.
Es mag aber einer sagen: Es kommt vor, daß einer um die Erkenntnis Gottes und um Tugend bittet, und er erhält sie nicht. Dem kann man antworten, daß er diese Güter [wohl] nicht um ihrer selbst willen erbeten hat, sondern um sich damit zu brüsten. (Origenes)

[...] Öfters hört man auch den Einwand: Weshalb bitten wir denn? Weiß Gott nicht, was wir brauchen? - Freilich weiß er es und alle geistigen Güter gibt er uns in reichem Maß, noch bevor wir darum bitten. Aber es muß so sein, daß wir uns zuerst nach den Werken der Tugend und dem himmlischen Reich sehnen, und dann, wenn wir uns danach sehnen, es auch suchen, indem wir voll Vertrauen und Geduld das unsere tun, wobei uns unser eigenes Gewissen keines Vergehens anklagen soll. (Basilius der Große, In Const. Mon. 1)

11 Oder ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn eine Schlange gibt, wenn er um einen Fisch bittet,
12 oder einen Skorpion, wenn er um ein Ei bittet?

Der Erlöser gibt uns hier eine wichtige Unterweisung: denn wir lassen uns ohne zu überlegen von unserer Lust oft zu verderblichen Verlangen hinreißen. Doch wenn wir so etwas von Gott erbitten, dann werden wir es keinesfalls bei ihm durchsetzen: um das zu zeigen, bedient er sich eines einleuchtenden Beispiels aus dem Bereich der Dinge, die in unserer Gewalt stehen. Denn wenn dich dein Sohn um ein Brot bittet,Das Beispiel steht in der Parallelstelle, Mt 7,9! dann wirst du es ihm gerne geben, weil er um eine angemessene Speise bittet. Wenn er aber aus Mangel an Verstand nach einem Stein verlangt, um ihn zu essen, dann wirst du ihm den nicht geben, sondern ihn vielmehr von seinem schädlichen Verlangen abhalten. [...] Denselben Sinn haben aber auch das Beispiel mit der Schlange und dem Fisch [...] und ähnlich das mit dem Ei und dem Skorpion. [...] (Cyrill)

Erwäge du auch das, ob nicht das Brot die Speise der Seele ist, die in der Erkenntnis besteht und ohne die man nicht gerettet werden kann, wie zum Beispiel die klare Linie eines rechten Lebens.Lat.: perspicax ratio vitae debitae Der Fisch aber ist die Liebe zur Unterweisung, die zum Beispiel darin besteht, den Bau der Welt zu verstehen,Lat.: constitutionem mundi - die Verfassung, den Zustand der Welt, d.h. vor allem das, worauf sie gegründet ist die Wirkungen der Elemente und worüber immer sich die Weisheit in der Folge Gedanken macht. Und deshalb gibt Gott nicht einen Stein anstelle des Brotes (der Teufel wollte, daß Christus einen Stein ißt); [...] und genauso gibt er nicht anstelle dessen, was nährt und was nützt, etwas, das man nicht essen kann und das schadet - das bezieht sich auf den Skorpion und das Ei. (Origenes)

Oder man versteht darunter besser die Liebe, weil das Verlangen nach ihr größer ist und so notwendig, daß alles andere ohne sie nichts ist - so wie eine Tafel ohne Brot ärmlich ist. Dem steht die Herzenshärte gegenüber, die er mit einem Stein vergleicht. Unter dem Fisch aber mag man den Glauben an das Unsichtbare verstehen, entweder wegen des Wassers der Taufe, oder weil er an einem Ort gefangen wird, den man nicht sieht. Weil aber der Glaube, obwohl von den anstürmenden Fluten dieser Welt hin- und hergeworfen, doch nicht zugrunde geht, wird er zu Recht mit einem Fisch verglichen; ihm stellt er die Schlange gegenüber wegen des Giftes der Täuschung, welches sie durch ihr schlechtes Zureden in den ersten Menschen einimpfte. Das Ei aber bezeichnet die Hoffnung, denn das Ei ist noch kein vollendetes Junges, sondern man hofft auf ein solches, indem man es hegt. Als Gegenteil stellt er den Skorpion hin, dessen rückwärts gerichteter Giftstachel zu fürchten ist - so wie das Zurückblicken der Hoffnung entgegengesetzt ist, denn die Zukunfts-Hoffnung erstreckt sich auf Dinge, die vor einem liegen. (Augustinus, De quaest. ev. II,22)

13 Wenn nun schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wieviel mehr wird der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten.

[...] Wenn hinzugefügt wird, "um wieviel mehr wird euer Vater im Himmel den guten Geist denen geben, die ihn bitten" (Vg) - wofür Matthäus schreibt: "er wird denen, die ihn bitten, Gutes geben" (Mt 7,11) - so wird dadurch gezeigt, daß der Heilige Geist der Inbegriff aller Gaben Gottes ist: denn jeder Nutzen, der aus der Gnade der Gaben Gottes kommt, fließt aus dieser Quelle. (Beda)

Nach was also verlangst du voll Gier? Wenn du nach etwas anderem [als dem Heiligen Geist] verlangst - was wird dir genügen, wenn Gott dir nicht genügt? (Augustinus, Serm. 105)

 
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