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LESEJAHR A

Die Fastenzeit

PALMSONNTAG

 

Feier des Einzugs Christi in Jerusalem
Zur LeseordnungEVANGELIUM   Mt 21,1-11
 
Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus
 
1 Als sich Jesus mit seinen Begleitern Jerusalem näherte und nach Betfage am Ölberg kam, schickte er zwei Jünger voraus
2 und sagte zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch liegt; dort werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr. Bindet sie los, und bringt sie zu mir!
3 Und wenn euch jemand zur Rede stellt, dann sagt: Der Herr braucht sie, er läßt sie aber bald zurückbringen.

Er sagte nicht zu seinen Jüngern: "Ihr sollt sagen: 'Dein Herr braucht sie',"und auch nicht: "euer Herr"; dadurch sollten sie verstehen, daß er allein der Herr ist, nicht nur der Tiere, sondern auch der Menschen. (Chrysostomus)

4 Das ist geschehen, damit sich erfüllte, was durch den Propheten gesagt worden ist:
5 Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist friedfertig, und er reitet auf einer Eselin und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers.
6 Die Jünger gingen und taten, was Jesus ihnen aufgetragen hatte.

Er kommt zu dir, um dich, wenn du Einsicht hast, zu erlösen; wenn du nicht einsehen willst, kommt er gegen dich. [Er kommt] in Sanftmut, um nicht wegen seiner Stärke gefürchtet, sondern auf Grund seiner Freundlichkeit geliebt zu werden. Deswegen sitzt er nicht in einem goldenen Wagen, mit kostbarem Purpur prächtig bekleidet; er steigt auch nicht auf ein hitziges Roß, das Streit und Zwietracht liebt, sondern auf einen Esel, der ein Freund von Ruhe und Frieden ist. (Chrysostomus)

Mir scheint, daß es nicht ein pures Geheimnis ist, warum sich Jesus auf einen Esel setzte, sondern daß er uns eine Weisheit mitteilen wollte: Er zeigt nämlich, daß es nicht notwendig ist, sich von Pferden tragen zu lassen, sondern daß es genügt, einen Esel zu gebrauchen. [Das heißt, wir sollen] mit dem zufrieden sein, was nötig ist. (Chrysostomus)

In mancherlei Hinsicht gleichen die Menschen diesen Tieren, die den Sohn Gottes nicht erkennen. Er [sc. der Esel] ist nämlich ein unreines Tier, unverständiger als die anderen Zugtiere, dumm, schwach, ehrlos und er trägt Lasten. So waren die Menschen vor der Ankunft Christi: unrein durch diverse Leidenschaften; unverständig, da sie das Licht des WORTES nicht kannten; töricht, da sie Gott verachten; schwach in ihrer Seelenkraft; ehrlos, da sie ihre himmlische Herkunft vergessen hatten und Sklaven der Leidenschaften und der Dämonen geworden sind; sie trugen Lasten, da sie die Last des Irrtums tragen mußten, den ihnen die Dämonen oder die Pharisäer aufgeladen hatten. Der Esel war aber festgebunden, das bedeutet: durch die Fessel des teuflischen Irrtums festgehalten, so daß er nicht die Freiheit hatte zu gehen, wohin er wollte. Denn bevor wir sündigen, haben wir den freien Willen, dem Willen des Teufels zu folgen oder nicht. Wenn wir jedoch einmal sündigen, haben wir uns an seine Werke gebunden, so daß wir ihm nicht mehr aus eigener Kraft entkommen können. Vielmehr tut der Mensch, der durch die Sünde die göttliche Hilfe der Gnade verloren hat, nicht, was er will, sondern was der Teufel will, so wie ein Schiff mit zerbrochenem Steuerruder, das dorthin getrieben wird, wo das Unwetter es will. Und wenn nicht Gott mit der starken Hand seiner Barmherzigkeit ihn erlöst, wird er bis zum Tod in den Fesseln seiner Sünden gefangen bleiben. Und daher sagt er seinen Jüngern: "Bindet ihn los!", nämlich durch eure Verkündigung und durch eure Lehre. Denn alle Juden und alle Heiden sind durch die Apostel befreit worden. "Bringt ihn zu mir!" das heißt: "Bekehrt sie zu meiner Herrlichkeit! (Chrysostomus)

7 Sie brachten die Eselin und das Fohlen, legten ihre Kleider auf sie, und er setzte sich darauf.
8 Viele Menschen breiteten ihre Kleider auf der Straße aus, andere schnitten Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg.
9 Die Leute aber, die vor ihm hergingen und die ihm folgten, riefen: Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe!

Wenn er sagt: "Die Menge, die voranging und die ihm nachfolgte", so meint er damit sowohl die Menschen, die schon vor der Verkündigung des Evangeliums an den Herrn glaubten, als auch die, die nach seiner Verkündigung glaubten, um in einmütigem Bekenntnis Jesus zu lobpreisen. (Hieronymus)

Das bedeutet, daß die Ankunft Christi das Heil der Welt ist. Daher folgt: "Hochgelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn." Das bestätigt der Erlöser selbst im Evangelium, wenn er sagt: "Ich bin im Namen meines Vateres gekommen" (Joh 5,43). (Hieronymus)

Der Sinn ist dieser: "Hochgelobt" bedeutet "gerühmt", "der kommt" bedeutet "der Mensch geworden ist", "im Namen des Herrn", d. h. "des Vaters", dadurch, daß er ihn verherrlicht. Sie wiederholen wieder: "Hosanna", d. h. "rette mich, ich flehe dich an!"; und sie sagen am Ende, wo sie gerettet sein wollen, in den Höhen , d. h. "im Himmel", nicht auf Erden. (Glossa)

10 Als er in Jerusalem einzog, geriet die ganze Stadt in Aufregung, und man fragte: Wer ist das?
11 Die Leute sagten: Das ist der Prophet Jesus von Nazaret in Galiläa.

Zu Recht waren sie ergriffen, als sie das wunderbare Geschehnis erblickten. Ein Mensch wurde wie Gott gepriesen, aber gleichzeitig wurde Gott im Menschen gepriesen. Ich glaube jedoch, daß selbst diejenigen, die die Loblieder sangen, nicht wußten, was sie priesen; vielmehr trat plötzlich der Geist in sie ein und goß ihnen Worte der Wahrheit ein. (Chrysostomus)

Während andere zweifelten oder Fragen stellen, preist ihn das einfache Volk. [...] Sie beginnen mit dem Unbedeutenderen , um dann zum Wichtigeren zu kommen. Sie nennen ihn nämlich zuerst Propheten und meinen damit den, von dem Mose gesagt hatte: "Ein Prophet, der mir ähnlich ist, wird kommen" (Dtn 18, 15). (Hieronymus)

Es ist zu beachten, daß dieser Einzug in Jerusalem fünf Tage vor Ostern stattfand. Johannes erzählt nämlich, daß er [sc. Jesus] sechs Tage vor Ostern nach Bethanien kam (Joh 12, 1) und am darauffolgenden Tag auf einem Esel sitzend in Jerusalem einzog. Man beachte die Übereinstimmung nicht nur in der Sache, sondern auch in den Zeiten des Alten und des Neuen Bundes. Es war nämlich Vorschrift, am zehnten Tag des ersten Monats das Lamm nach Hause zu holen, das am Paschafest geopfert werden sollte (Ex 12, 3). Daher sollte auch der Herr am zehnten Tag dieses Monats, also fünf Tage vor dem Paschafest, in die Stadt einziehen, in der er sein Leiden auf sich nehmen würde. (Hrabanus)

 
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Messe
Zur LeseordnungEVANGELIUM   Mt 26,14 - 27,66
 
Das Leiden unseres Herrn Jesus Christus
 
Das Leiden unseres Herrn Jesus Christus nach Matthäus
 
14 Einer der Zwölf namens Judas Iskariot ging zu den Hohenpriestern
15 und sagte: Was wollt ihr mir geben, wenn ich euch Jesus ausliefere? Und sie zahlten ihm dreißig Silberstücke.
16 Von da an suchte er nach einer Gelegenheit, ihn auszuliefern.

[Judas] wandte sich nicht etwa deshalb von Jesus ab, weil er durch Furcht in Verwirrung geraten wäre, sondern aus Geldgier. Wenn einer das Geld liebt, geht jegliche wahre Zuneigung zugrunde. [...] In einem Herzen, in dem sich die Habgier einnistet, findet sich keine Spur von Gerechtigkeit. Von diesem Gift war der treulose Judas trunken. Er suchte seinen Vorteil. So töricht und frevelhaft war er, daß er seinen Herrn und Lehrer verkaufte. (Leo der Große)

Dasselbe tun all diejenigen, die etwas Materielles oder Weltliches annehmen, um dafür den Erlöser und das Wort der Wahrheit, das in ihnen war, zu verraten und aus ihrer Seele hinauszuwerfen. (Origenes)

17 Am ersten Tag des Festes der Ungesäuerten Brote gingen die Jünger zu Jesus und fragten: Wo sollen wir das Paschamahl für dich vorbereiten?

Man mag einwenden: Wenn jenes Paschalamm im Alten Bund als Vorzeichen für das wahre Lamm diente, warum hat dann Christus nicht in der Nacht gelitten, in der das Paschalamm geopfert wurde? Man muss aber wissen, daß er in eben dieser Nacht seinen Jüngern die Feier der Geheimnisse seines Leibes und Blutes anvertraute, und so, gefangen und gefesselt von den Juden, den Beginn seines Opfers, d. h. seines Leidens, heiligte. (Remigius)

18 Er antwortete: Geht in die Stadt zu dem und dem und sagt zu ihm: Der Meister läßt dir sagen: Meine Zeit ist da; bei dir will ich mit meinen Jüngern das Paschamahl feiern.
19 Die Jünger taten, was Jesus ihnen aufgetragen hatte, und bereiteten das Paschamahl vor.

Er nennt absichtlich keinen Namen, um deutlich zu machen, daß alle, die es wollen, das wahre Pascha feiern und Christus als Gast in ihrem Geist aufnehmen können. (Hrabanus)

20 Als es Abend wurde, begab er sich mit den zwölf Jüngern zu Tisch.
21 Und während sie aßen, sprach er: Amen, ich sage euch: Einer von euch wird mich verraten und ausliefern.

Nun sagt der Herr voraus, wer ihn verraten würde. Dadurch gibt er ihm die Gelegenheit, seine Tat zu bereuen, wenn er sieht, daß seine Gedanken und die verborgenen Entschlüsse seines Herzens bekannt geworden sind. (Hieronymus)

22 Da waren sie sehr betroffen, und einer nach dem andern fragte ihn: Bin ich es etwa, Herr?
23 Er antwortete: Der, der die Hand mit mir in die Schüssel getaucht hat, wird mich verraten.

Jeder der Jünger wusste nämlich aus dem, was Jesus gelehrt hatte, daß die menschliche Natur zum Bösen geneigt ist und im Kampf steht gegen die Herrscher dieser dunklen Welt. Und daher fragten sie alle so ängstlich. So müssen auch wir, die wir schwach sind, wegen allem Zukünftigen in Sorge sein. Als der Herr aber sah, daß die Jünger um sich selbst Angst hatten, bezeichnete er offen den Verräter mit den Worten des Psalms: Der Brot mit mir aß, hat mir eine Falle gestellt (Ps 41,10 Vg) (Origenes)

O wunderbare Geduld des Herrn! Zuerst hatte er gesagt: Einer von euch wird mich verraten. Der Verräter verharrt im Bösen. Nun schuldigt er ihn deutlicher an, nennt aber dennoch nicht seinen Namen. (Hieronymus)

24 Der Menschensohn muß zwar seinen Weg gehen, wie die Schrift über ihn sagt. Doch weh dem Menschen, durch den der Menschensohn verraten wird. Für ihn wäre es besser, wenn er nie geboren wäre.

Judas läßt weder bei der ersten noch bei der zweiten Zurechtweisung ab von seinem Verrat. Vielmehr nährte die Geduld des Herrn noch seine Unverschämtheit. Daher wird nun die Strafe vorhergesagt. Nachdem ihn sein Ehrgefühl nicht bewegt hatte, sollten ihn die angekündigten Strafen zum Guten zurückführen. (Hieronymus)

Weh auch allen, die mit schlechtem und beflecktem Gewissen zum Tisch Christi hinzutreten! Wenn sie auch Christus nicht die Juden zur Kreuzigung ausliefern, so liefern sie ihn doch ihren unreinen Gliedern aus, die ihn aufnehmen. (Remigius)

25 Da fragte Judas, der ihn verriet: Bin ich es etwa, Rabbi? Jesus sagte zu ihm: Du sagst es.

Nachdem alle Apostel Jesus gefragt hatten, [ob sie ihn verraten würden], fragte ihn auch Judas, jedoch mit dem hinterlistigen Gedanken, seinen Entschluß, Jesus zu verraten, dadurch zu verbergen, daß er ihn genau so wie die anderen fragte. (Origenes)

Der Herr hätte ihm antworten können: Du hast den Geldbetrag schon vereinbart und wagst mich noch zu fragen? Doch nichts davon erwähnt der gütigste Jesus. Dadurch zeigt uns, wie wir miteinander umgehen sollen. (Chrysostomus)

Das kann so verstanden werden: "Du sagst es", im Sinn von: "und du sagst Wahres." Oder: "Du sagst es", und nicht ich. So will er ihm noch die Möglichkeit zu Umkehr geben, solange seine Verdorbenheit noch nicht allen bekannt geworden ist. (Remigius)

26 Während des Mahls nahm Jesus das Brot und sprach den Lobpreis; dann brach er das Brot, reichte es den Jüngern und sagte: Nehmt und eßt; das ist mein Leib.

Nachdem das alttestamentliche Pascha, das nur ein Vorbild war, sich erfüllt und [der Herr] mit seinen Jüngern das Fleisch des Lammes gegessen hatte, vollzog er den Übergang zum wahren Sakrament des Pascha. Wie Melchisedek, der Priester des höchsten Gottes, der ein Vorausbild Christi war, Brot und Wein opferte,vgl. Gen 14, 18 so brachte er in diesen Gaben wahrhaft seinen Leib und sein Blut als Opfer dar. (Hieronymus)

Der Herr gab seinen Leib und sein Blut in solchen Gestalten, die aus vielem zu einem geworden sind. Das Brot nämlich ist aus vielen Körnern zusammengesetzt, und der Wein fließt aus dem Saft vieler Trauben zusammen. So gab uns der Herr ein Zeichen und er heiligte in diesem Mahl das Geheimnis unseres Friedens und unserer Einheit. (Augustinus)

Es ist passend, daß er die Frucht der Erde als Opfer darbringt. Denn dadurch zeigt er, daß er dazu gekommen ist, jenen Fluch hinwegzunehmen, der wegen der Sünde des ersten Menschen auf der Erde lastet. (Remigius)

Dieses Brot ist vor den sakramentalen Worten nur gewöhnliches Brot, durch die Konsekration aber wird es zum Leib Christi. Durch welche Worte aber geschieht die Konsekration, wenn nicht durch die Worte Jesu? Wenn seinen Worten nämlich eine solche Kraft innewohnt, daß beginnt zu sein, was nicht war, um wie viel mehr können sie bewirken, daß etwas, das schon existiert, in etwas anderes verwandelt wird? Denn wenn sein himmlisches Wort in anderen Dingen Wirkung gezeigt hat, warum sollte es nicht in den himmlischen Sakramenten wirken? So wird also aus dem Brot der Leib Christi, und der Wein wird Blut Christi durch die Konsekration durch das himmlische Wort. Du fragst, auf welche Weise? Sieh doch: Normalerweise entsteht jeder Mensch aus dem Mann und der Frau; aber weil es der Herr so wollte, ist Christus vom Heiligen Geist und der Jungfrau geboren. (Ambrosius)

Wie also der irdischeLat.:vera Leib Christi ohne Zutun eines Mannes durch den Heiligen Geist geschaffen wurde, so wird auch durch denselben Geist die Substanz des Brotes und des Weines konsekriert zum Leib und Blut Christi. (Augustinus)

Um zu zeigen, daß sein Leib nicht ohne seinen freien Willen dem Leiden unterworfen werden sollte, setzte er hinzu: und brach es. (Remigius)

Er entfernte den Verräter nicht von diesem Geheimnis, um zu zeigen, daß Judas durch kein Unrecht beleidigt worden ist, sondern zu seinem Frevel aus freien Stücken entschlossen war. (Leo der Große)

Dadurch hinterließ er der Kirche ein Beispiel, daß sie niemand aus ihrer Gemeinschaft ausschließen und die Kommunion des Leibes und Blutes Christi verweigern solle, außer wegen eines offen zu Tage liegenden Verbrechens. (Remigius)

Laßt uns den Leib Christi nicht bloß im Sakrament essen - das tun auch viele schlechte Menschen -, sondern ihn bis zur Teilnahme an seinem Geist in uns aufnehmen, so daß wir im Leib das Herrn als seine Glieder bleiben und durch seinen Geist belebt werden. (Augustinus)

27 Dann nahm er den Kelch, sprach das Dankgebet und reichte ihn den Jüngern mit den Worten: Trinkt alle daraus;

Dadurch zeigt er, wie sehr er für unser Heil dankt. Für uns hat er sein Blut vergossen. (Remigius)

Er dankte auch deshalb, um uns zu lehren, wie wir dieses Geheimnis feiern sollten. Und er zeigte auch, daß er nicht gegen seinen Willen in das Leiden ging. Er lehrte weiterhin, daß wir all unser Leiden mit Danksagung tragen sollen, und gab uns dadurch eine feste Hoffnung. (Chrysostomus)

28 das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden.

Wenn er [den Wein] sein Blut nennt, sagt er sein Leiden voraus mit den Worten: "das für Viele vergossen wird." Und weiterhin nennt er den Grund seines Todes, wenn er hinzufügt: "zur Vergebung des Sünden." Damit meint er: Das Blut des Lammes wurde in Ägypten vergossen zur Rettung der Erstgeborenen des Volkes Israel. Hier aber wird es vergossen zur Vergebung der Sünden. (Chrysostomus)

29 Ich sage euch: Von jetzt an werde ich nicht mehr von der Frucht des Weinstocks trinken, bis zu dem Tag, an dem ich mit euch von neuem davon trinke im Reich meines Vaters.

Weil er von seinem Leiden und Kreuz gesprochen hatte, beginnt er nun folgerichtig, von der Auferstehung zu reden. [...] Er nennt die Auferstehung sein Reich . Er sagte dies deshalb über die Auferstehung, weil er [nach seiner Auferstehung] mit den Aposteln trinken würde, damit man die Auferstehung nicht für bloße Phantasie hielte. Und daher wollten sie die Menschen von der Auferstehung Christi mit den Worten überzeugen: "Wir haben mit ihm nach seiner Auferstehung von den Toten gegessen und getrunken." Durch diese Worte will er ihnen also zeigen, daß sie ihn als Auferstandenen sehen würden und er wieder mit ihnen sein würde. Wenn er aber sagt: von neuem, muss dieses von neuem richtig verstanden werden, nämlich im Sinne von "auf neue Weise", nicht mit einem Leib, der dem Leiden unterworfen ist und der Speise bedarf. Nach seiner Auferstehung ißt und trinkt er nämlich nicht, weil er der Nahrung bedürfte, sondern um sie seiner Auferstehung zu versichern. (Chrysostomus)

Wenn er aber sagt: ich werde mit euch trinken, verheißt er auch ihnen die Auferstehung der Leiber, die sich mit Unsterblichkeit bekleiden werden. Mit euch, so muss man es verstehen, bezieht sich nämlich nicht auf dieselbe Zeit, sondern auf dieselbe Neuheit. Denn auch wir, so sagt es der Apostel (Eph 2,6) sind mit Christus auferstanden, damit die Hoffnung auf die Zukunft uns schon jetzt mit Freude erfüllt. (Augustinus)

30 Nach dem Lobgesang gingen sie zum Ölberg hinaus.

Jesus führt die Jünger zum Ölberg hinaus, nachdem sie das Geheimnis seines Leibes und Blutes empfangen und durch den Lobgesang geistlicher Lieder sich dem Vater anvertraut hatten. Das ist ein schöner Hinweis darauf, daß wir durch den Empfang seiner Sakramente und durch seine Gnadenhilfe zu einer höheren Stufe der Tugenden und Gnadengaben des Heiligen Geistes, mit dem wir gesalbt werden, hinaufsteigen sollen. (Beda)

31 Da sagte Jesus zu ihnen: Ihr alle werdet in dieser Nacht an mir Anstoß nehmen und zu Fall kommen; denn in der Schrift steht: Ich werde den Hirten erschlagen, dann werden sich die Schafe der Herde zerstreuen.

Er sagte voraus, was sich ereignen würde, damit sie - nachdem es geschehen war - nicht an ihrem Heil verzweifelten, sondern umkehrten und befreit würden. (Hieronymus)

Dieses alttestamentliche Wort zitiert Christus, [...] um zu zeigen, daß er dem Ratschluß Gottes entsprechend gekreuzigt würde und um deutlich zu machen, daß er dem Alten Testament nicht als ein anderer gegenübersteht, sondern in ihm angekündigt worden ist. (Chrysostomus)

Wenn jemand fragt, wie die Jünger nach so vielen Zeichen und Wundern an Jesus Anstoß nehmen konnten, so möge er bedenken, daß dadurch etwas deutlich werden soll. Denn wie man nur im Heiligen Geist sagen kann: Jesus ist der Herr , so kann man auch nur im Heiligen Geist nicht an Jesus Anstoß nehmen. Als aber die Worte des Herrn [...] in Erfüllung gingen, war der Heilige Geist noch nicht verliehen, weil Jesus noch nicht verherrlicht war. (Origenes)

32 Aber nach meiner Auferstehung werde ich euch nach Galiläa vorausgehen.

Er sagte deshalb, daß er ihnen nach Galiläa vorausgehen würde, damit sie keine Angst vor den Juden hätten und seinen Worten glaubten. (Chrysostomus)

33 Petrus erwiderte ihm: Und wenn alle an dir Anstoß nehmen - ich niemals!
34 Jesus entgegnete ihm: Amen, ich sage dir: In dieser Nacht, noch ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.
35 Da sagte Petrus zu ihm: Und wenn ich mit dir sterben müßte - ich werde dich nie verleugnen. Das gleiche sagten auch alle anderen Jünger.

Es ist jedoch in den Worten Petri keine Anmaßung und auch keine Lüge, sondern sie zeigen seinen Glauben und seine glühenden Liebe zu seinem Herrn und Erlöser. (Hieronymus)

Dies lehrt uns folgendes: Wenn wir auch auf die Glut des Glaubens vertrauen, sollen wir uns doch vor der Schwäche der menschlichen Natur in Acht nehmen. Dennoch ist Petrus zu tadeln, weil er widersprach, weil er sich über die anderen stellte, und weil er ganz auf sich vertraut, als ob er stark genug wäre, alleine standzuhalten. Um ihn also davon zu heilen, ließ der Herr zu, daß er fiel. Er verursachte nicht etwa, daß Petrus ihn verleugnete, sondern überließ ihn nur sich selbst und überzeugte ihn so von der Schwachheit der menschlichen Natur. (Remigius)

Sieh, wie Petrus durch seinen Fall gelernt hat und nach der Auferstehung Christus ganz demütig antwortet. Als er zurechtgewiesen wird, widerspricht er nicht. All das bewirkte jener Fall! Denn vorher schrieb er alles sich selbst zu, als er besser hätte sagen sollen: Ich werde dich nicht verleugnen, wenn du mir mit deiner Hilfe beistehst. Dagegen schrieb er danach alles Gott zu, wenn er sagte: "Was starrt ihr uns an, als hätten wir aus eigener Kraft bewirkt, daß dieser gehen kann" (Apg 3,12). Daraus können wir den wichtigen Glaubenssatz lernen, daß das Verlangen des Menschen nicht ausreicht, wenn Gott ihm nicht zu Hilfe kommt. (Chrysostomus)

36 Darauf kam Jesus mit den Jüngern zu einem Grundstück, das man Getsemani nennt, und sagte zu ihnen: Setzt euch und wartet hier, während ich dort bete.

Dadurch daß der Herr auf dem Ölberg betete, lehrte er uns, im Gebet den Herrn um himmlische Gaben anzuflehen. Dadurch daß er im Garten des Hauses betete, unterwies er uns, daß wir uns mühen sollten, im Gebet stets die Demut zu bewahren. (Remigius)

37 Und er nahm Petrus und die beiden Söhne des Zebedäus mit sich. Da ergriff ihn Angst und Traurigkeit,
38 und er sagte zu ihnen: Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir!

Der Herr wurde nicht aus Angst vor dem Leiden von Trauer ergriffen. Denn er war gekommen, um zu leiden, und hatte die Verwegenheit der Petrus getadelt. Vielmehr war er wegen des so tragischen Geschickes des Judas betrübt, und weil alle Apostel an ihm Anstoß nahmen, weil das Volk der Juden ihn zurückwies und wegen des kommenden Falls des bemitleidenswerten Jerusalem. (Hieronymus)

In seinem Leiden, das er freiwillig auf sich nahm, empfand er eine natürliche Traurigkeit und Furcht vor dem Tod. Denn es gibt eine natürliche Angst der Seele, vom Körper getrennt zu werden, wegen der natürlichen Zusammengehörigkeit, die der Schöpfer der Dinge von Anfang an in sie hineingelegt hat. (Johannes Damascenus)

Als ob er sagen würde: Den übrigen habe ich befohlen, sich zu setzen, weil sie schwächer sind. So sind sie sicher vor diesem Leiden. Euch aber habe ich mitgenommen, weil ihr stärker seid, damit ihr in meinen Wachen und Gebeten mitarbeitet: Dennoch, auch ihr bleibt hier, so daß ein jeder den Platz seiner Berufung entsprechend einnimmt. Denn für jede Gnade, wie groß sie auch sein mag, gibt es noch eine größere. (Origenes)

Oder er hält sie deshalb vom Schlaf ab, weil jetzt, als die Entscheidung naht, nicht die Zeit dafür ist. Er hält sie ab vom Schlaf der Untreue und der Trägheit des Geistes. (Hieronymus)

39 Und er ging ein Stück weiter, warf sich zu Boden und betete: Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.

Dadurch will er uns lehren, daß wir nicht beten sollen, daß unser Wille geschehe, sondern der Wille Gottes. (Origenes)

Der gläubige Mensch möchte zunächst keinen Schmerz erleiden, vor allem nicht einen, der zum Tod führt. Wenn es aber Gott so will, findet er zum Frieden, weil er gläubig ist. (Origenes)

Diesen Kelch trinkt ganz, wer alles erleidet, was ihm um seines Glaubenszeugnisses willen angetan wird. Es schüttet ihn aber aus, wer seinen Glauben verleugnet, um nicht zu leiden. (Origenes)

So zeigte Christus, menschlich handelnd, einen eigenen menschlichen Willen. Darin stellte er sowohl seinen als auch unseren Willen dar, da er unser Haupt ist. (Augustinus)

Dieses Wort des Hauptes ist das Heil des ganzen Körpers. Dieses Wort lehrt alle Gläubigen, entflammt alle Bekenner, krönt alle Martyrer. Denn wer könnte den Haß der Welt, die Stürme der Versuchungen, die Schrecken der Verfolger überwinden außer Christus, der in allen und für alle zum Vater sagt: Dein Wille geschehe. Aus diesem Wort mögen also alle Söhne der Kirche lernen, wenn Anfeindung und heftige Versuchungen über sie hereinbrechen, die Angst vor dem Leiden zu überwinden und das Leiden bereitwillig auf sich zu nehmen. (Leo der Große)

40 Und er ging zu den Jüngern zurück und fand sie schlafend. Da sagte er zu Petrus: Konntet ihr nicht einmal eine Stunde mit mir wachen?

Als er zu seinen Jüngern zurückkehrte und sie schlafend fand, macht er Petrus Vorwürfe. [...] Von den dreien beschuldigte er vor allem ihn, weil er sich vor den anderen gerühmt hatte, daß er nicht an ihm Anstoß nehmen würde. (Hilarius)

Weil aber die anderen ähnlich gesprochen hatte, hält er auch ihnen ihre Schwachheit vor. Denn sie wollten mit Christus sterben, und konnten nicht einmal mit ihm wachen. (Chrysostomus)

41 Wacht und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach.

Es ist unmöglich, daß die menschliche Seele nicht versucht wird. Deshalb sagt er nicht: Wachet und betet, damit ihr nicht versucht werdet. Sondern: damit ihr nicht in die Versuchung eintretet. Das heißt: daß euch die Versuchung nicht überwältigt. (Hieronymus)

42 Dann ging er zum zweitenmal weg und betete: Mein Vater, wenn dieser Kelch an mir nicht vorübergehen kann, ohne daß ich ihn trinke, geschehe dein Wille.

Er betet zum zweiten und dritten Mal, weil er seine menschliche Schwachheit fühlt, in der er den Tod fürchtet. Das zeigt, daß er wahrhaft Mensch geworden ist. (Chrysostomus)

43 Als er zurückkam, fand er sie wieder schlafend, denn die Augen waren ihnen zugefallen.
44 Und er ging wieder von ihnen weg und betete zum drittenmal mit den gleichen Worten.

Ich denke, daß nicht so sehr die Augenlieder des Körpers, sondern die der Seele ihnen schwer geworden sind. Denn der Geist war ihnen noch nicht verliehen. Deswegen macht er ihnen keine Vorwürfe, sondern geht wiederum zum Gebet. Damit lehrt er uns, daß wir nicht nachlassen, sondern im Gebet ausharren sollen, bis wir erlangen, was wir zu bitten begonnen haben. (Origenes)

45 Danach kehrte er zu den Jüngern zurück und sagte zu ihnen: Schlaft ihr immer noch und ruht euch aus? Die Stunde ist gekommen; jetzt wird der Menschensohn den Sündern ausgeliefert.
46 Steht auf, wir wollen gehen! Seht, der Verräter, der mich ausliefert, ist da.

Damit wollte er sagen: Sie sollen euch nicht furchtsam vorfinden. Wir wollen freiwillig auf den Tod zugehen, damit sie unser Vertrauen und unsere Freude sehen. (Hieronymus)

47 Während er noch redete, kam Judas, einer der Zwölf, mit einer großen Schar von Männern, die mit Schwertern und Knüppeln bewaffnet waren; sie waren von den Hohenpriestern und den Ältesten des Volkes geschickt worden.
48 Der Verräter hatte mit ihnen ein Zeichen verabredet und gesagt: Der, den ich küssen werde, der ist es; nehmt ihn fest.
49 Sogleich ging er auf Jesus zu und sagte: Sei gegrüßt, Rabbi! Und er küßte ihn.
50 Jesus erwiderte ihm: Freund, dazu bist du gekommen? Da gingen sie auf Jesus zu, ergriffen ihn und nahmen ihn fest.

Ich glaube, daß alle Verräter der Wahrheit so tun, als liebten sie die Wahrheit, und das Zeichen des Kusses verwenden. Auch alle Häretiker nennen wie Judas Jesus Rabbi . Jesus aber antwortet sanftmütig. (Origenes)

51 Doch einer von den Begleitern Jesu zog sein Schwert, schlug auf den Diener des Hohenpriesters ein und hieb ihm ein Ohr ab.
52 Da sagte Jesus zu ihm: Steck dein Schwert in die Scheide; denn alle, die zum Schwert greifen, werden durch das Schwert umkommen.

Auch ziemte es sich, daß der Urheber der Gnade die Gläubigen durch sein Beispiel die Geduld lehrte, und eher zum tapferen Ertragen von Unrecht anleitete als zur Rache aufforderte. (Hrabanus)

53 Oder glaubst du nicht, mein Vater würde mir sogleich mehr als zwölf Legionen Engel schicken, wenn ich ihn darum bitte?
54 Wie würde dann aber die Schrift erfüllt, nach der es so geschehen muß?

Als ob er sagen würde: Ich brauche die Hilfe der zwölf Apostel nicht, selbst wenn sie alle mich verteidigen würden, denn ich könnte ein Heer von zwölf Legionen Engeln haben. Eine Legion bestand damals aus sechstausend Menschen. Zwölf Legionen sind also 72.000 Engel. (Hieronymus)

Aber nicht nur dadurch vertreibt er die Angst der Jünger, sondern auch dadurch, daß er sie mitten in die Heiligen Schriften führt, indem er sagt: Wie würde dann die Schrift erfüllt, nach der es so geschehen muß? (Chrysostomus)

55 Darauf sagte Jesus zu den Männern: Wie gegen einen Räuber seid ihr mit Schwertern und Knüppeln ausgezogen, um mich festzunehmen. Tag für Tag saß ich im Tempel und lehrte, und ihr habt mich nicht verhaftet.

Er meint: Es ist töricht, mit Schwertern und Knüppeln den zu suchen, der sich freiwillig euren Händen übergibt, und in der Nacht, als ob er sich verstecken wollte, mit einem Verräter den zu suchen, der täglich im Tempel lehrte. (Hieronymus)

56 Das alles aber ist geschehen, damit die Schriften der Propheten in Erfüllung gehen. Da verließen ihn alle Jünger und flohen.

Weil alle Propheten das Leiden des Messias voraussagten, deswegen führt er nicht eine bestimmte Stelle an, sondern sagt allgemein, daß die Vorhersagen aller Propheten in Erfüllung gehen. (Remigius)

In diesem Geschehen wird die Schwäche der Apostel offenbar. Sie hatten in der Glut des Glaubens versprochen, mit ihm zu sterben. Jetzt fliehen sie und denken nicht mehr an ihr Versprechen. Das geschieht auch bei denen, die aus Liebe zu Gott versprechen, Großes zu tun, es aber nachher nicht erfüllen. Dennoch müssen sie nicht verzweifeln, sondern dürfen mit den Aposteln wieder aufstehen und durch die Buße auf den richtigen Weg zurückkehren. (Remigius)

57 Nach der Verhaftung führte man Jesus zum Hohenpriester Kajaphas, bei dem sich die Schriftgelehrten und die Ältesten versammelt hatten.

Josphus Flavius berichtet,vgl. Antiquitates Judaicae I, 18,. c. 3., daß dieser Kajaphas sich das hohepriesterliche Amt für ein Jahr mit Geld gekauft hatte. Denn Mose hat auf Gottes Befehl hin vorgeschrieben, daß die Hohenpriester ihren Vätern nachfolgen und so die Reihe der Priester durch Abstammung gebildet wird. Es ist also nicht verwunderlich, daß ein unrechtmäßiger Hoherpriester ungerecht urteilt. (Hieronymus)

58 Petrus folgte Jesus von weitem bis zum Hof des hohepriesterlichen Palastes; er ging in den Hof hinein und setzte sich zu den Dienern, um zu sehen, wie alles ausgehen würde.

Groß war der Eifer des Petrus. Als er gesehen hatte, daß die anderen geflohen waren, floh er nicht, sondern blieb stehen und trat ein. (Chrysostomus)

59 Die Hohenpriester und der ganze Hohe Rat bemühten sich um falsche Zeugenaussagen gegen Jesus, um ihn zum Tod verurteilen zu können.
60 Sie erreichten aber nichts, obwohl viele falsche Zeugen auftraten. Zuletzt kamen zwei Männer
61 und behaupteten: Er hat gesagt: Ich kann den Tempel Gottes niederreißen und in drei Tagen wieder aufbauen.

Warum sind sie falsche Zeugen, wenn wir lesen, daß sie sagen, was der Herr gesagt hat? Ein falscher Zeuge ist aber, der das Gesagte nicht im selben Sinn versteht, in dem es gesagt wird. Der Herr hatte nämlich vom Tempel seines Leibes gesprochen. Sie aber verdrehen seine Worte, so daß sie daraus durch leichte Hinzufügungen oder Änderungen eine wirkliche Lästerung machen. Der Erlöser hatte gesagt: "Reißt diesen Tempel nieder!" Jene verändern seine Worte und sagen: "Ich kann den Tempel Gottes niederreißen." "Ihr", sagte er, nicht "Ich". Denn es ist nicht erlaubt, an sich selbst Hand anzulegen. (Hieronymus)

62 Da stand der Hohepriester auf und fragte Jesus: Willst du nichts sagen zu dem, was diese Leute gegen dich vorbringen?
63 Jesus aber schwieg. Darauf sagte der Hohepriester zu ihm: Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, sag uns: Bist du der Messias, der Sohn Gottes?
64 Jesus antwortete: Du hast es gesagt. Doch ich erkläre euch: Von nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten der Macht sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen.

Das sagte er, weil er Jesus eine unentschuldbare Antwort entlocken wollte, um ihn dadurch zu fangen. Es war jedoch unnütz, eine entschuldigende Antwort zu geben, denn niemand hätte sie angenommen. Daher folgt: Jesus aber schwieg. (Chrysostomus)

Der Hohepriester beging eine Sünde, indem er Jesus eine Falle stellte. So ahmte er seinen eigentlichen Vater nach, der zwei Mal voller Zweifel den Erlöser gefragt hatte: "Wenn du der Sohn Gottes bist?" Daher kann man zurecht sagen, daß es ein Werk des Teufels ist, daran zu zweifeln, daß Christus der Sohn Gottes ist. (Origenes)

Mir scheint, daß das Sitzen des Menschensohnes die königliche Macht bedeutet. [...] Seine Jünger sahen ihn nämlich auferstanden von den Toten, und dadurch sahen sie ihn zur Rechten der Macht sitzend. (Origenes)

65 Da zerriß der Hohepriester sein Gewand und rief: Er hat Gott gelästert! Wozu brauchen wir noch Zeugen? Jetzt habt ihr die Gotteslästerung selbst gehört.

Bei den Juden war es nämlich üblich, die Kleider zu zerreißen, wenn sie etwas Gotteslästerliches oder gegen Gott gerichtetes hörten. (Hieronymus)

66 Was ist eure Meinung? Sie antworteten: Er ist schuldig und muß sterben.

Sie selbst sind Ankläger, Richter und Urteilsvollstrecker in einem. (Chrysostomus)

67 Dann spuckten sie ihm ins Gesicht und schlugen ihn. Andere ohrfeigten ihn
68 und riefen: Messias, du bist doch ein Prophet! Sag uns: Wer hat dich geschlagen?

Damit erfüllt würde, was geschrieben ist: "Ich hielt meine Wange den Schlägen hin, und verbarg mein Gesicht nicht vor Schmähung und Speichel" (vgl. Jes 50, 6) (Hieronymus)

Damit sind die gemeint, die die gegenwärtige Gnade zurückweisen. Ebenso schlagen diejenigen ihn wie mit Fäusten, die ihm ihr Ansehen vorziehen. Schläge ins Gesicht geben ihm diejenigen, die durch ihren Unglauben verblendet behaupten, er sei nicht gekommen, und so gleichsam seine Gegenwart verleugnen und zurückweisen. (Augustinus)

69 Petrus aber saß draußen im Hof. Da trat eine Magd zu ihm und sagte: Auch du warst mit diesem Jesus aus Galiläa zusammen.
70 Doch er leugnete es vor allen Leuten und sagte: Ich weiß nicht, wovon du redest.
71 Und als er zum Tor hinausgehen wollte, sah ihn eine andere Magd und sagte zu denen, die dort standen: Der war mit Jesus aus Nazaret zusammen.
72 Wieder leugnete er und schwor: Ich kenne den Menschen nicht.
73 Kurz darauf kamen die Leute, die dort standen, zu Petrus und sagten: Wirklich, auch du gehörst zu ihnen, deine Mundart verrät dich.
74 Da fing er an, sich zu verfluchen und schwor: Ich kenne den Menschen nicht. Gleich darauf krähte ein Hahn,
75 und Petrus erinnerte sich an das, was Jesus gesagt hatte: Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich.

Denn anscheinend wurde deshalb zugelassen, daß Petrus fehlte, damit auf den Fürsten der Kirche selbst das Heilmittel der Buße gegründet würde; und damit niemand auf seine eigene Kraft vertraut, wenn nicht einmal der heilige Petrus der Gefahr des Schwankens entrinnen konnte. (Leo der Große)

Zu der Leugnung des Petrus sagen wir, daß nicht nur derjenige Christus verleugnet, der sagt, Jesus sei nicht der Christus, sondern auch derjenige, der leugnet, Christ zu sein, obwohl er einer ist. (Hrabanus)

Im Evangelium (Lk 22, 61) lesen wir, daß der Erlöser Petrus anblickte, nachdem dieser ihn verleugnet und der Hahn gekräht hatte. Und sein Blick brachte Petrus dazu, bitterlich zu weinen. Es konnte nicht sein, daß derjenige in der Dunkelheit der Leugnung verharrte, den das Licht der Welt angeblickt hatte. (Hieronymus)

1 Als es Morgen wurde, faßten die Hohenpriester und die Ältesten des Volkes gemeinsam den Beschluß, Jesus hinrichten zu lassen.
2 Sie ließen ihn fesseln und abführen und lieferten ihn dem Statthalter Pilatus aus.

Sie dachten, daß sie durch den Tod seine Lehre und den Glauben derer auslöschen könnten, die an ihn als Sohn Gottes glaubten. (Origenes)

3 Als nun Judas, der ihn verraten hatte, sah, daß Jesus zum Tod verurteilt war, reute ihn seine Tat. Er brachte den Hohenpriestern und den Ältesten die dreißig Silberstücke zurück
4 und sagte: Ich habe gesündigt, ich habe euch einen unschuldigen Menschen ausgeliefert. Sie antworteten: Was geht das uns an? Das ist deine Sache.
5 Da warf er die Silberstücke in den Tempel; dann ging er weg und erhängte sich.

Wenn Judas sagt: "Ich habe gesündigt, ich habe einen unschuldigen Menschen ausgeliefert", verharrt er in seinem gottlosen Unglauben. Denn er hielt selbst in der äußersten Todesgefahr Jesus nicht für den Sohn Gottes, sondern nur für normalen Menschen. Er hätte um Barmherzigkeit gebeten, wenn er seine Allmacht nicht geleugnet hätte. (Leo der Große)

Sieh: Er ändert seinen Sinn, als es schon vorbei ist, und die Sünde bereits ans Ziel gekommen ist. Denn der Teufel verhindert, daß diejenigen, die nicht wachsam sind, die schlimmen Folgen der Sünde sehen, bevor sie nicht eingetreten sind. (Chrysostomus)

Wenn der Teufel von jemanden ablässt, dann sucht er wiederum nach einer Gelegenheit. Und wenn er sie entdeckt, und zu einer zweiten Sünde verleitet hat, sucht er den Moment, um ein drittes Mal zu täuschen. [...] Etwas ähnliches ist bei Judas geschehen. Nachdem er seine Tat bereut hatte, wachte er nicht über sein Herz, sondern ließ eine übermäßige Traurigkeit in sich eindringen, die der Teufel über ihn brachte, weil er ihn vernichten wollte. [...] Wenn Judas aber die Gelegenheit zur Umkehr gesucht und die rechte Zeit der Buße beachtet hätte, so hätte er vielleicht jenen gefunden, der sagte: "Ich will nicht den Tod des Sünders". (Origenes)

6 Die Hohenpriester nahmen die Silberstücke und sagten: Man darf das Geld nicht in den Tempelschatz tun; denn es klebt Blut daran.
7 Und sie beschlossen, von dem Geld den Töpferacker zu kaufen als Begräbnisplatz für die Fremden.
8 Deshalb heißt dieser Acker bis heute Blutacker.
9 So erfüllte sich, was durch den Propheten Jeremia gesagt worden ist: Sie nahmen die dreißig Silberstücke - das ist der Preis, den er den Israeliten wert war -
10 und kauften für das Geld den Töpferacker, wie mir der Herr befohlen hatte.

Ich denke, durch die Vorsehung Gottes geschah es, daß der Preis, der für den Erlöser gezahlt wurde, nicht von den Sündern genommen wurde, sondern für die Ruhestätte der Fremden verwendet wurde, damit Christus schon auf diese Weise die Lebenden durch sein Leiden und sein Blut erlöste, und auch die Toten durch sein kostbares Leiden bei sich aufnahm. Mit dem Preis für das Blut des Herrn wird also der Acker eines Töpfers gekauft. Wir lesen in der Schrift, daß im Blut des Erlösers das Heil für das ganze Menschengeschlecht liegt. Dieser Acker meint also die ganze Welt. Der Töpfer aber, der über die Welt herrschen kann, ist derjenige, der unseren Leib aus Lehm geformt hat. Der Acker dieses Töpfers wurde durch das Blut Christi erkauft: Den Fremden, sage ich, die ohne Haus und Heimat auf dem ganzen Erdkreis in der Verbannung umherirrten, wurde durch das Blut Christi Ruhe verschafft. [...] Das Grab Christi ist nämlich nichts anderes als die Ruhe des Christen. Denn wir sind mit Christus begraben durch die Taufe auf den Tod. Wir sind also Fremde in dieser Welt, und leben gleichsam als Gäste unter dieser Sonne. (Augustinus)

11 Als Jesus vor dem Statthalter stand, fragte ihn dieser: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Du sagst es.

Betrachte, wie sehr sich derjenige erniedrigt, der vom Vater zum Richter über alle Geschöpfe bestellt ist, so daß er so ruhig vor dem damaligen Richter des Landes Judäa stand. (Origenes)

Weil sie wussten, daß Pilatus sich nicht um ihre religiösen Gesetze kümmerte, klagten sie ihn eines staatlichen Vergehens an. (Chrysostomus)

Er bekannte, daß er ein König sei, jedoch ein himmlischer, wie es klar in einem anderen Evangelium steht: "Mein Königreich", schreibt Johannes, "ist nicht von dieser Welt" (Joh 18, 36). (Chrysostomus)

12 Als aber die Hohenpriester und die Ältesten ihn anklagten, gab er keine Antwort.
13 Da sagte Pilatus zu ihm: Hörst du nicht, was sie dir alles vorwerfen?
14 Er aber antwortete ihm auf keine einzige Frage, so daß der Statthalter sehr verwundert war.

Er hatte ihnen nämlich durch seine Taten oft seine Macht, seine Sanftmut und seine Demut gezeigt. Dennoch waren sie über ihn empört und fällten ein ungerechtes Urteil gegen ihn. Deswegen antwortet er ihnen nichts. (Chrysostomus)

15 Jeweils zum Fest pflegte der Statthalter einen Gefangenen freizulassen, den sich das Volk auswählen konnte.
16 Damals war gerade ein berüchtigter Mann namens Barabbas im Gefängnis.
17 Pilatus fragte nun die Menge, die zusammengekommen war: Was wollt ihr? Wen soll ich freilassen, Barabbas oder Jesus, den man den Messias nennt?
18 Er wußte nämlich, daß man Jesus nur aus Neid an ihn ausgeliefert hatte.

Pilatus stellt ihnen zur Wahl, wen er freilassen soll, den Räuber oder Jesus, weil er nicht zweifelt, daß sie sich für Jesus entscheiden würden. (Hieronymus)

19 Während Pilatus auf dem Richterstuhl saß, ließ ihm seine Frau sagen: Laß die Hände von diesem Mann, er ist unschuldig. Ich hatte seinetwegen heute nacht einen schrecklichen Traum.

Beachte aber, daß den Heiden oft von Gott Träume enthüllt werden, und daß in Pilatus und seiner Frau, die die Gerechtigkeit des Herrn bekennen, ein Zeugnis des Heidenvolkes liegt. (Hieronymus)

Aber warum sah Pilatus nicht selbst das Traumgesicht? [...] Wenn Pilatus es gesehen hätte, hätte er es vielleicht nicht gesagt. Deshalb ließ Gott es seine Frau sehen, damit es allen bekannt würde. (Chrysostomus)

20 Inzwischen überredeten die Hohenpriester und die Ältesten die Menge, die Freilassung des Barabbas zu fordern, Jesus aber hinrichten zu lassen.

Man kann hier sehen, wie das Volk der Juden von seinen Ältesten und den Volkslehrern überredet und aufgewiegelt wurde, Jesus zu vernichten. (Origenes)

21 Der Statthalter fragte sie: Wen von beiden soll ich freilassen? Sie riefen: Barabbas!
22 Pilatus sagte zu ihnen: Was soll ich dann mit Jesus tun, den man den Messias nennt? Da schrien sie alle: Ans Kreuz mit ihm!
23 Er erwiderte: Was für ein Verbrechen hat er denn begangen? Da schrien sie noch lauter: Ans Kreuz mit ihm!

Die Gekreuzigten waren durch Nägel mit Händen und Füßen am Holz befestigt und starben eines langsamen Todes. Sie lebten lange am Kreuz, nicht weil man ihnen ein längeres Leben gewähren wollte, sondern weil man den Tod hinauszögern wollte, damit der Schmerz länger dauerte. Die Juden dachten also an den schlimmsten Tod, der vom Herrn selbst, ohne daß es sie es wußten, erwählt worden war. (Hrabanus)

24 Als Pilatus sah, daß er nichts erreichte, sondern daß der Tumult immer größer wurde, ließ er Wasser bringen, wusch sich vor allen Leuten die Hände und sagte: Ich bin unschuldig am Blut dieses Menschen. Das ist eure Sache!
25 Da rief das ganze Volk: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!

Der barmherzige Gott aber bestätigte ihren Ausspruch nicht. Vielmehr nahm er diejenigen von ihnen und ihren Kindern an, die zu ihm umkehrten. Denn auch Paulus stammte von ihnen und viele Tausende, die in Jerusalem an ihn glaubten. (Chrysostomus)

26 Darauf ließ er Barabbas frei und gab den Befehl, Jesus zu geißeln und zu kreuzigen.

Dies aber ist geschehen, damit wir durch jene Geißelung von den Schlägen befreit werden. Denn es steht geschrieben: "Viele Schläge für die Sünder". (Hieronymus)

27 Da nahmen die Soldaten des Statthalters Jesus, führten ihn in das Prätorium, das Amtsgebäude des Statthalters, und versammelten die ganze Kohorte um ihn.
28 Sie zogen ihn aus und legten ihm einen purpurroten Mantel um.
29 Dann flochten sie einen Kranz aus Dornen; den setzten sie ihm auf und gaben ihm einen Stock in die rechte Hand. Sie fielen vor ihm auf die Knie und verhöhnten ihn, indem sie riefen: Heil dir, König der Juden!
30 Und sie spuckten ihn an, nahmen ihm den Stock wieder weg und schlugen ihm damit auf den Kopf.

Was soll es uns übrigens kümmern, wenn wir beleidigt werden, nachdem Christus solches erlitten hat? Denn was an Christus geschah, war die höchstmögliche Schmach. Nicht nur ein Teil, sondern der ganze Leib litt Unrecht: Das Haupt durch die Dornenkrone, das Rohr und die Schläge. Das Antlitz, da es angespien wurde. Die Backen, da sie geschlagen wurden. Der ganze Leib durch die Geißelung, und da er entblößt und mit einem Purpurmantel bekleidet und ihm zum Spott gehuldigt worden ist. Die Hände durch das Rohr, das sie ihm anstelle des Szepters gaben. (Chrysostomus)

31 Nachdem sie so ihren Spott mit ihm getrieben hatten, nahmen sie ihm den Mantel ab und zogen ihm seine eigenen Kleider wieder an. Dann führten sie Jesus hinaus, um ihn zu kreuzigen.

Er wollte nicht [...] in einem jüdischen Tempel leiden, damit du nicht meinst, er sei nur für jenes Volk geopfert worden. Daher litt er außerhalb der Stadt, außerhalb der Mauern, damit du weißt, daß sein Opfer ein allumfassendes ist, eine Opfergabe für die ganze Welt, eine allumfassende Reinigung. (Chrysostomus)

32 Auf dem Weg trafen sie einen Mann aus Zyrene namens Simon; ihn zwangen sie, Jesus das Kreuz zu tragen.

Dieser Simon stammte nicht aus Jerusalem, sondern war ein Fremder und Ankömmling, nämlich aus Cyrene. Cyrene ist eine Stadt in Libyen. Simon aber heißt "der Gehorsame" und "Cyrenäer" bedeutet "Erbe". So wird durch ihn treffend das Volk der Heiden bezeichnet, das ein Fremdling war in Bezug auf die Erbschaft Gottes, aber durch den Glauben ein Mitbürger der Heiligen geworden ist, ein Hausgenosse und Erbe Gottes. (Remigius)

33 So kamen sie an den Ort, der Golgota genannt wird, das heißt Schädelhöhe.
34 Und sie gaben ihm Wein zu trinken, der mit Galle vermischt war; als er aber davon gekostet hatte, wollte er ihn nicht trinken.

Ich habe jemanden erklären hören, Kalvaria sei der Ort, an dem Adam bestattet worden ist. Und er hieße so, weil dort das Haupt des ältesten Menschen begraben sei. Eine wohlklingende und dem Ohr des Volkes schmeichelnde Erklärung, aber dennoch nicht wahr. Vor der Stadt und außerhalb des Stadttors ist der Ort, an dem den Verurteilten die Köpfe abgeschlagen wurden, und der daher Kalvaria, d.h. Ort der Enthaupteten, heißt. (Hieronymus)

35 Nachdem sie ihn gekreuzigt hatten, warfen sie das Los und verteilten seine Kleider unter sich.
36 Dann setzten sie sich nieder und bewachten ihn.

Wie groß die Kraft des Kreuzes ist, möge euer geheiligter Sinn begreifen: Adam mißachtete das Gebot, als er den Apfel nahm. Aber was Adam verlor, hat Christus im Kreuz gefunden. Die hölzerne Arche befreite das Menschengeschlecht von der Sintflut. Als das Volk Gottes aus Ägypten auszog, teilte Moses das Meer in zwei Teile, überwand den Pharao und erlöste das Volk Gottes. Ebenso tauchte Moses den Holzstab in das Wasser, und wandelte das bittere Wasser, so daß es trinkbar wurde. Durch den hölzernen Stab strömt vom geistlichen Felsen die heilbringende Woge. Um Amalek zu besiegen, breitete Moses seine Hände aus um den Stab. Und das Gesetz Gottes wird der hölzernen Bundeslade anvertraut. Durch all dies sollen wir - gleichsam wie auf Stufen - zum Holz des Kreuzes gelangen. (Augustinus)

Es ist anzumerken, daß das keine geringe Schmach für Christus war. Sie handelten an ihm wie gegen einen Ehrlosen und den Wertlosesten von allen. Den Räubern haben sie nichts dergleichen angetan. Die Kleider wurden nämlich nur bei den niedrigsten und verachtetsten Verurteilten verteilt, und solchen, die nichts anderes hatten. (Chrysostomus)

37 Über seinem Kopf hatten sie eine Aufschrift angebracht, die seine Schuld angab: Das ist Jesus, der König der Juden.

Durch göttliche Fügung geschah es, daß diese Aufschrift über seinem Haupt angebracht wurde. Dadurch sollten die Juden erkennen, daß sie auch durch die Hinrichtung nicht bewirken konnten, ihn nicht als König zu haben. Durch das Kreuzesholz verlor er nämlich seine Herrschaft nicht, sondern sie wurde vielmehr stärker. (Remigius)

38 Zusammen mit ihm wurden zwei Räuber gekreuzigt, der eine rechts von ihm, der andere links.

Denn so wie Christus für uns zum Fluch am Kreuz geworden ist,vgl. Gal 3,13 so wurde er zum Heil aller zwischen schuldigen Verbrechern wie einer von ihnen gekreuzigt. (Hieronymus)

39 Die Leute, die vorbeikamen, verhöhnten ihn, schüttelten den Kopf
40 und riefen: Du willst den Tempel niederreißen und in drei Tagen wieder aufbauen? Wenn du Gottes Sohn bist, hilf dir selbst, und steig herab vom Kreuz!

Aber im Gegenteil, gerade weil er der Sohn Gottes ist, steigt er nicht vom Kreuz herab. Denn er ist dafür gekommen, um für uns gekreuzigt zu werden. (Chrysostomus)

41 Auch die Hohenpriester, die Schriftgelehrten und die Ältesten verhöhnten ihn und sagten:
42 Anderen hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen. Er ist doch der König von Israel! Er soll vom Kreuz herabsteigen, dann werden wir an ihn glauben.
43 Er hat auf Gott vertraut: der soll ihn jetzt retten, wenn er an ihm Gefallen hat; er hat doch gesagt: Ich bin Gottes Sohn.

Wenn er denen geglaubt hätte, die ihn verhöhnten, und vom Kreuz herabgestiegen wäre, dann hätte er uns kein Beispiel für die Geduld gegeben. Er jedoch wartete noch ein wenig und ertrug die Verspottung. Vom Kreuz wollte er nicht herabsteigen, aus dem Grab jedoch ist er auferstanden. (Hrabanus)

44 Ebenso beschimpften ihn die beiden Räuber, die man zusammen mit ihm gekreuzigt hatte.

Durch den Räuber, der gerettet wurde, wird das Geheimnis deutlich, daß auch jene, die nach vielen bösen Taten an Christus geglaubt haben, gerettet werden können. (Origenes)

45 Von der sechsten bis zur neunten Stunde herrschte eine Finsternis im ganzen Land.

Die Schöpfung konnte das Unrecht nicht ertragen, das dem Schöpfer zugefügt wurde. Daher zog die Sonne ihre Strahlen zurück, um die Untaten der Gottlosen nicht zu sehen. (Chrysostomus)

46 Um die neunte Stunde rief Jesus laut: Eli, Eli, lema sabachtani?, das heißt: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?

Die Klage des Verlassenen ist die Schwachheit eines Sterbenden. Wenn er aber das Paradies verspricht, herrscht er als lebendiger Gott. An seiner Klage, daß er im Tod verlassen wurde, kannst du erkennen, daß er Mensch ist. Daran, daß er, der stirbt, von sich sagt, daß er im Paradies herrschen wird, siehst du, daß er Gott ist. Wundere dich also nicht über die Menschlichkeit seiner Worte und die Klagen der Verlassenheit, wenn du ihn in Knechtsgestalt siehst und vor dem Ärgernis des Kreuzes stehst. (Hilarius)

47 Einige von denen, die dabeistanden und es hörten, sagten: Er ruft nach Elija.
48 Sogleich lief einer von ihnen hin, tauchte einen Schwamm in Essig, steckte ihn auf einen Stock und gab Jesus zu trinken.
49 Die anderen aber sagten: Laß doch, wir wollen sehen, ob Elija kommt und ihm hilft.

So wird also der, der die Quellen fließen läßt, mit Essig getränkt; der den Honig gibt, mit Galle gespeist. Die Verzeihung selbst wird gegeißelt, die Vergebung zum Tod verurteilt, die Majestät verspottet, die Tugend verlacht, der Spender des Regens mit Speichel übergossen. (Augustinus)

50 Jesus aber schrie noch einmal laut auf. Dann hauchte er den Geist aus.

Das also ist der erste Grund für das Leiden des Herrn: Er wollte, daß wir wissen, wie sehr Gott den Menschen liebt. Denn Gott will mehr geliebt als gefürchtet werden. Der zweite Grund ist, daß er die Todesstrafe, die er in Gerechtigkeit verhängt hatte, in noch größerer Gerechtigkeit wieder aufhebt. Weil nämlich der erste Mensch nach dem Urteil Gottes durch seine Schuld den Tod verdient und auch seinen Nachkommen den Tod gebracht hatte, kam vom Himmel der zweite Mensch, der keine Sünde kannte, um den Tod zum Tod zu verurteilen. (Augustinus)

Auch wenn er als Mensch gestorben ist und seine heilige Seele von seinem unbefleckten Leib getrennt worden ist, bliebt seine Göttlichkeit doch untrennbar mit beiden verbunden, mit Leib und Seele. Dabei wurde die eine Person nicht in zwei geteilt. Vielmehr existierten Leib und Seele auch im Tod, wie sie von Anfang an in der Person des Wortes existiert hatten. (Damascenus)

51 Da riß der Vorhang im Tempel von oben bis unten entzwei. Die Erde bebte, und die Felsen spalteten sich.

Es ist so zu verstehen, daß es zwei Vorhänge gab: einen, der das Allerheiligste verhüllte, und einen außerhalb, entweder für das Zelt oder den Tempel. In der Passion des Herrn ist also der äußere Vorhang von oben bis unten zerrissen, damit von einem Ende der Welt bis zum anderen, nachdem der Vorhang zerrissen ist, die Geheimnisse verkündet würden, die bis zum Kommen des Herrn mit gutem Grund verborgen waren. Wenn aber kommt, was vollkommen ist, wird auch der zweite Vorhang weggenommen werden, so daß wir auch sehen, was im inneren verborgen ist, nämlich die wahre Bundeslade, und daß wir die Cherubim und alles andere so sehen, wie sie in ihrem eigentlichen Wesen sind. (Origenes)

Die Erde bebte, weil sie sie nicht fähig war, diesen Toten aufzunehmen. Die Felsen spalteten sich, denn das Wort Gottes durchdringt alles Feste und Starke und die Macht der ewigen Kraft erschütterten sie. (Hilarius)

52 Die Gräber öffneten sich, und die Leiber vieler Heiligen, die entschlafen waren, wurden auferweckt.
53 Nach der Auferstehung Jesu verließen sie ihre Gräber, kamen in die Heilige Stadt und erschienen vielen.

Denn er erleuchtete die Dunkelheiten des Todes, brachte Licht in die Finsternis derer, die die Unterwelt bewohnten, und entriß dem Tod seine Beute. (Hilarius)

Wie der tote Lazarus auferstand, so auch die vielen Leiber der Heiligen. Damit zeigten sie die Auferstehung des Herrn. Als sich die Gräber öffneten, standen sie nicht eher auf als der Herr, damit er der Erstgeborene der Auferstehung von den Toten sei. (Hieronymus)

54 Als der Hauptmann und die Männer, die mit ihm zusammen Jesus bewachten, das Erdbeben bemerkten und sahen, was geschah, erschraken sie sehr und sagten: Wahrhaftig, das war Gottes Sohn!

Daher wird mit Recht durch den Hauptmann der Glaube der Kirche bezeichnet. Denn nachdem der Vorhang der göttlichen Geheimnisse durch den Tod des Herrn hinweggenommen war, verkündet sie beständig Jesus als den wahrhaft gerechten Menschen und als den wirklichen Sohn Gottes. (Hrabanus)

55 Auch viele Frauen waren dort und sahen von weitem zu; sie waren Jesus seit der Zeit in Galiläa nachgefolgt und hatten ihm gedient.
56 Zu ihnen gehörten Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus und des Josef, und die Mutter der Söhne des Zebedäus.

Diese Frauen betrachteten, was geschah. Sie waren Jesus im Leiden zutiefst verbunden. Sie folgten ihm dienend und waren bei ihm bis in die Gefahren hinein. So zeigten sie größte Tapferkeit. Denn während die Jünger geflohen waren, blieben sie bei Jesus. (Chrysostomus)

57 Gegen Abend kam ein reicher Mann aus Arimathäa namens Josef; auch er war ein Jünger Jesu.
58 Er ging zu Pilatus und bat um den Leichnam Jesu. Da befahl Pilatus, ihm den Leichnam zu überlassen.
59 Josef nahm ihn und hüllte ihn in ein reines Leinentuch.
60 Dann legte er ihn in ein neues Grab, das er für sich selbst in einen Felsen hatte hauen lassen. Er wälzte einen großen Stein vor den Eingang des Grabes und ging weg.

Sieh auf die Tapferkeit dieses Mannes. Er begab sich nämlich in Todesgefahr und nahm die Feindschaft aller in Kauf aus Liebe zu Christus. Und er wagt nicht nur, um den Leib Christi zu bitten, sondern auch, ihn zu bestatten. (Chrysostomus)

61 Auch Maria aus Magdala und die andere Maria waren dort; sie saßen dem Grab gegenüber.

Nachdem der Leib des Herrn bestattet ist, und alle anderen nach Hause zurückgekehrt waren, blieben nur die Frauen, die ihn mit glühenderer Liebe liebten. (Remigius)

Während die übrigen den Herrn verließen, verharrten die Frauen in ihrem Dienst. Sie erwarteten, was Jesus verheißen hatte. Deshalb verdienten sie es, als erste die Auferstehung zu sehen. Denn wer bis zum Ende standhaft bleibt, der wird gerettet. (Hieronymus)

62 Am nächsten Tag gingen die Hohenpriester und die Pharisäer gemeinsam zu Pilatus; es war der Tag nach dem Rüsttag.
63 Sie sagten: Herr, es fiel uns ein, daß dieser Betrüger, als er noch lebte, behauptet hat: Ich werde nach drei Tagen auferstehen.
64 Gib also den Befehl, daß das Grab bis zum dritten Tag sicher bewacht wird. Sonst könnten seine Jünger kommen, ihn stehlen und dem Volk sagen: Er ist von den Toten auferstanden. Und dieser letzte Betrug wäre noch schlimmer als alles zuvor.
65 Pilatus antwortete ihnen: Ihr sollt eine Wache haben. Geht und sichert das Grab, so gut ihr könnt.
66 Darauf gingen sie, um das Grab zu sichern. Sie versiegelten den Eingang und ließen die Wache dort.

Als Rüsttag wurde der sechste Wochentag bezeichnet, an dem alles Notwendige für den Sabbat vorbereitet wurde. [...] Am sechsten Tag wurde der Mensch geschaffen, am siebten Tag ruhte Gott. Deshalb stirbt Jesus am sechsten Tag für den Menschen, und am Sabbat ruht er im Grab. (Hrabanus)

Sieh, wie sie - ohne es zu wollen - dazu beitragen, die Wahrheit zu erweisen: Denn der Beweis für die Auferstehung wurde durch ihre Vorkehrungen unwiderleglich. Weil nämlich das Grab bewacht wurde, konnte kein Betrug stattfinden. Wenn aber kein Betrug stattfand, dann ist der Herr offenkundig und unwiderlegbar auferstanden. (Chrysostomus)

 
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