Vorige Seite Vorige Seite   Index   Nächste Seite Nächste Seite
 

LESEJAHR A

Die Zeit im Jahreskreis

31. SONNTAG IM JAHRESKREIS

 

Zur LeseordnungEVANGELIUM   Mt 23,1-12
 
Sie reden nur, tun selbst aber nicht, was sie sagen
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus
 
In jener Zeit
1 wandte sich Jesus an das Volk und an seine Jünger
2 und sagte: Die Schriftgelehrten und die Pharisäer haben sich auf den Stuhl des Mose gesetzt.

Überlege, auf welche Weise jemand auf einem Stuhl sitzt: Nicht die Kathedra bewirkt, daß jemand Bischof ist, sondern umgekehrt; daß ein Bischof auf diesem Stuhl sitzt, macht ihn zur Kathedra. Nicht der Platz macht den Menschen heilig, sondern der Mensch den Platz. Ein schlechter Bischof wird in seinem Amt schuldig, nicht würdig. (Pseudo-Chrysostomus)

Damit aber niemand sagen kann: Ich bin nur deswegen nachlässiger geworden, weil der Lehrer schlecht ist, schiebt der Herr dem einen Riegel vor: "Was sie euch sagen, das tut." Sie sagen nämlich nicht, was aus ihnen selbst stammt, sondern das was von Gott stammt: das, was Gott durch Mose im Gesetz niedergelegt hat. Und beachte, wie sehr er Mose ehrt, und damit die Übereinstimmung zwischen Neuem und Altem Testament zeigt. (Chrysostomus)

3 Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach dem, was sie tun; denn sie reden nur, tun selbst aber nicht, was sie sagen.
4 Sie schnüren schwere Lasten zusammen und legen sie den Menschen auf die Schultern, wollen selber aber keinen Finger rühren, um die Lasten zu tragen.

Wie man Gold von der Erde aufnimmt und die Erde zurückläßt, so sollen die Hörer die Lehre aufnehmen und das Verhalten hinter sich lassen. Es kommt häufig vor, daß von einem schlechten Menschen eine gute Lehre ausgeht. Ebenso, wie die Priester es für besser erachten, um der Guten willen auch die Bösen zu lehren, als wegen der Bösen sich auch um die Guten nicht mehr zu kümmern, so soll das gläubige Volk um der guten Priester willen auch die schlechten ehren, damit nicht wegen der schlechten die guten verachtet werden. Denn besser ist es, Schlechten etwas Unverdientes zukommen zu lassen, als Guten das zu verweigern, was sie gerechterweise verdienen. (Pseudo-Chrysostomus)

Beachte, womit er seinen Tadel beginnt: "Sie reden nur, handeln aber nicht danach." Schweren Tadel verdient, wer die Lehrautorität besitzt und das Gesetz übertritt. Zum einen, weil gerade er andere bessern sollte; zum zweiten, weil er aufgrund seiner Würdestellung eine schwerere Strafe verdient; zum dritten, weil er mehr zerstört, da er als Angehöriger des lehrenden Standes sich verfehlt. Dann fügt der Herr noch einen Tadel hinzu: Solche Vorsteher sind eine Last für ihre Untergebenen: "Sie schnüren schwere Lasten zusammen". Damit ist eine zweifache Bosheit angesprochen: Sie verlangen von den Untergebenen ohne Nachsicht ein höchst gewissenhaftes Leben, und zugleich nehmen sie selbst sich alle Freiheiten heraus. Ein guter Vorsteher aber muß das Gegenteil tun: gegenüber sich selbst ein strenger Richter, anderen gegenüber milde. Und dann fügt der Herr noch einen schwereren Vorwurf hinzu: Er sagt nicht: "sie können nicht", sondern "sie wollen nicht", und nicht: "tragen", sondern nur "einen Finger rühren". (Chrysostomus)

Hier wendet sich der Herr ganz allgemein gegen alle Lehrer, die Großes verlangen und das Geringere nicht tun. (Hieronymus)

Das sind die Leute, die umkehrwilligen Büßern schwere Bußen auferlegen. [...] Wenn du einem jungen Mann eine Last auf die Schulter legst, die er nicht tragen kann, dann wird er entweder das Bündel abwerfen oder darunter zusammenbrechen. So wird es auch gehen, wenn man einem Menschen eine allzu schwere Buße auferlegt; er wird sie entweder zurückweisen oder, wenn er sie nimmt und nicht tragen kann, Ärgernis nehmen und noch mehr sündigen. Selbst wenn wir also irren, indem wir nur eine maßvolle Buße auferlegen, ist es nicht besser wegen Barmherzigkeit zur Rechenschaft gezogen zu werden als wegen Grausamkeit? Wo der Hausvater freigebig ist, darf der Verwalter nicht geizig sein. Willst du heilig erscheinen, dann sei streng mit dir selbst, zu andern gütig. Die Leute sollen über dich sagen können, daß du Geringes forderst, und Schweres vollbringst. (Pseudo-Chrysostomus)

5 Alles, was sie tun, tun sie nur, damit die Menschen es sehen: Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Gewändern lang,

Zuerst hat der Herr die Schriftgelehrten und Pharisäer der Unbarmherzigkeit und Nachlässigkeit angeklagt, jetzt bezichtigt er sie der eitlen Ruhmsucht, die sie von Gott entfernt: "Alles tun sie nur, um von den Menschen gesehen zu werden". (Chrysostomus)

In jeder Sache kann etwas entstehen, was sie zerstört: im Holz der Wurm, im Kleid die Motte. Der Teufel arbeitet daran, den Dienst der Priester, die doch die Heiligkeit der Gläubigen aufbauen sollen, zu verderben: das Gute soll schlecht werden, indem es nur für die Menschen getan wird. Nimm dieses Laster vom Klerus weg, und du kannst mühelos auch alle anderen Laster abschneiden. Das ist der Grund, warum Kleriker so schwer zur Buße zu bewegen sind. Hier aber will der Herr die Ursache zeigen, warum sie nicht an Christus glauben konnten: Weil sie alles taten, um von den Menschen gesehen zu werden. Unmöglich kann jemand Christus, der vom Himmel predigt, Glauben schenken, wenn er auf das irdische Menschenlob aus ist.
Ich habe bei jemandem folgende Interpretation gelesen: "auf dem Stuhl des Mose", das heißt: in seinem Rang und Stand, sind jetzt die Schriftgelehrten und Pharisäer, ohne daß sie dessen würdig sind: Sie verkündeten das Gesetz, in dem das Kommen Christi prophezeit wird, den anderen, selber nahmen sie den gekommenen Christus nicht auf. Darum wird das Volk gemahnt, auf die Verkündigung des Gesetzes zu hören, das heißt: an Christus zu glauben, der im Gesetz verkündigt wird, sich aber die ungläubigen Schriftgelehrten und Pharisäer nicht zum Vorbild zu nehmen. [...]
Sie taten alles, um von den Menschen gesehen zu werden: Das heißt, sie predigten Christus nicht mit der Sehnsucht nach seinem Kommen, sondern um als Lehrer des Gesetzes bei den Menschen dazustehen. (Pseudo-Chrysostomus)

Und dann zeigt der Herr, daß sie sich nicht einmal mit irgendwelchen großen Dingen rühmen, sondern mit unwichtigen Kleinigkeiten: breite Gebetsriemen und lange Quasten. (Chrysostomus)

Als Gott der Herr die Gebote an Mose gegeben hatte, heißt es am Schluß: Du sollst sie an deine Hand binden, sie seien dir immer vor Augen (Dt 6,8). Der Sinn ist: Deine Hand sei an meine Gebote gebunden, damit du sie in deinem Tun erfüllst. Du sollst sie vor Augen haben, damit du Tag und Nacht über sie nachsinnst. Die Pharisäer haben das falsch interpretiert. [...] (Hieronymus)

Nach deren Vorbild gibt es auch Leute, die irgendwelche hebräische Namen von Engeln erfinden, aufschreiben und sich umhängen. Wer das nicht versteht, dem erscheint es furchteinflößend. Manche tragen auch einen Teil des Evangeliums als Schriftstück um den Hals. Wird denn nicht täglich das Evangelium in den Kirchen gelesen und von allen gehört? Wenn das Evangelium, das dir ins Ohr gesenkt wird, nichts nützt, wie kann es dich retten, wenn du es um den Hals trägst? Worin besteht denn die Kraft des Evangeliums? In den Buchstaben oder im Verständnis ihres Sinnes? (Pseudo-Chrysostomus)

6 bei jedem Festmahl möchten sie den Ehrenplatz und in der Synagoge die vordersten Sitze haben,

Beachte: Der Herr verbietet nicht, daß diejenigen, denen solche Behandlung von Amt und Standes wegen gebührt, auf dem Markt gegrüßt werden oder den ersten Platz bei Tisch einnehmen. Er sagt vielmehr, daß die Gläubigen diejenigen, welche solches allzusehr lieben - ob sie es nun bereits haben oder nicht - , meiden sollen; es ist kein gutes Zeichen für ihren Charakter. (Hrabanus)

Es geht dem Herrn bei diesem Tadel um das Verlangen, um den Willen, nicht um das äußere Geschehen: Es kommt vor, daß jemand, der im Herzen recht groß von sich denkt, sich äußerlich erniedrigt, ohne wirklichen Grund; irgendein Prahler, der gehört hat, es sei löblich, sich auf den letzten Platz zu begeben, läßt sich hinter allen anderen nieder. Er läßt nicht nur nicht von seiner Überheblichkeit, sondern prahlt auch noch mit seiner Demut. Denn er will ja gerecht und demütig erscheinen. Viele Hochmütige setzen sich dem Leibe nach auf den letzten Platz, aber in der Überheblichkeit ihres Herzens kommen sie sich vor, als säßen sie am Kopfende. Und viele Demütige sitzen ganz oben, während sie in ihrem Gewissen sich als die letzten vorkommen. (Pseudo-Chrysostomus)

7 und auf den Straßen und Plätzen lassen sie sich gern grüßen und von den Leuten Rabbi (Meister) nennen.
8 Ihr aber sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn nur einer ist euer Meister, ihr alle aber seid Brüder.

Das ist die Ursache aller Übel: den Thronsitz eines Meisters zu begehren. (Chrysostomus)

Ihr sollt euch nicht anmaßen, was Gott gebührt. Nennt auch andere Menschen nicht Meister, auf daß ihr nicht die Ehre Gottes Menschen erweist. Einer ist der Meister aller, er, der das ganze Menschengeschlecht belehrt. [...] Durch die Lehre kann doch kein Mensch dem anderen Verstand oder Verständnis geben; vielmehr betätigt der Mensch aufgrund der Ermahnung seines menschlichen Lehrers den Verstand, den ihm Gott gegeben hat. (Pseudo-Chrysostomus)

Alle Menschen können in Liebe "Brüder" genannt werden, freilich in einem allgemeinen und einem besonderen Sinn: Ganz besonders heißen alle Christen Brüder; allgemein alle Menschen, weil sie von einem Vater abstammen und alle miteinander in gleicher Weise verwandt sind. (Hieronymus)

9 Auch sollt ihr niemand auf Erden euren Vater nennen; denn nur einer ist euer Vater, der im Himmel.
10 Auch sollt ihr euch nicht Lehrer nennen lassen; denn nur einer ist euer Lehrer, Christus.

Obwohl hier auf Erden ein Mensch von einem anderen abstammt, so ist doch der eine "Vater" derjenige, der alle erschafft. Den Anfang unseres Lebens haben wir nicht von unseren Eltern. (Pseudo-Chrysostomus)

Aber wer nennt in dieser Welt niemanden seinen Vater? Derjenige, der mit jedem Werk, das er nach Gottes Willen vollbringt, spricht: "Vater unser im Himmel". (Origenes)

Dagegen stellt sich aber die Frage, warum der Apostel Paulus sich als Lehrer der Völker bezeichnete, und warum sich die Mönche in manchen Klöstern volkssprachlich als Patres ansprechen. Antwort: Es ist ein Unterschied, ob jemand von Natur aus Vater oder Lehrer ist, oder weil ihm diese Ehre eingeräumt wird. Wenn wir einen Menschen "Vater" oder "Pater" nennen, dann ehren wir damit sein Alter, wir behaupten nicht, daß er uns das Leben geschenkt hat. "Meister" oder Lehrer wird jemand genannt aufgrund seiner Gemeinschaft mit dem wahren Lehrer. Um meine Antwort kurz zu machen: Gott ist einer von seinem Wesen, und es gibt nur einen Sohn; und doch hat er nichts dagegen, daß Menschen in aufgrund ihrer Annahme an Kindesstatt "Götter" und "Söhne" genannt werden. Und ebensowenig untersagt der eine Vater und Lehrer, daß Menschen in übertragenem Sinn Väter und Lehrer genannt werden können. (Hieronymus)

11 Der Größte von euch soll euer Diener sein.
12 Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.

Wenn jemand dem Wort Gottes dient, im Wissen, daß Christus in ihm die Fruchtbarkeit wirkt, dann bekennt er sich nicht als Meister, sondern als Diener - hat doch auch Christus selbst, der einzig wahre Lehrmeister, sich als Diener bekannt: "Ich bin in eurer Mitte wie einer, der dient" (Lk 22,27). (Origenes)

 
Vorige Seite Vorige Seite Zum Seitenanfang  Zum Seitenanfang  Zum Seitenanfang Nächste Seite Nächste Seite