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LESEJAHR C

Die Zeit im Jahreskreis

7. SONNTAG IM JAHRESKREIS

 

Zur LeseordnungEVANGELIUM   Lk 6,27-38
 
Seid barmherzig, wie es euer Vater ist
 
Aus dem heiligen Evangelium nach Lukas
 
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
27 Euch, die ihr mir zuhört, sage ich: Liebt eure Feinde; tut denen Gutes, die euch hassen.

Es ist nicht müßig, wenn er nach der Aufzählung so vieler frommer Taten nun zu jenem Punkt kommt, an dem das Volk (nachdem es durch die von Gott vollbrachten Wunder gestärkt wurde) darin unterrichtet wird, jenseits des Pfades des Gesetzes auf den Wegen der Tugenden voranzuschreiten. Unter den drei größten Tugenden aber, der Hoffnung, dem Glauben und der Liebe, ist die Liebe noch einmal größer [als die beiden anderen], sie befiehlt [der Herr], wenn es heißt: Liebt eure Feinde! (Ambrosius)

Ein solcher Umgang [mit den Feinden] ist aber den heiligen Lehrern, die überall auf der Welt das heilbringende Wort verkündigen sollten, durchaus angemessen, denn hätten sie an den Verfolgern Rache nehmen wollen, so hätten sie aufgehört, sie zur Erkenntnis der Wahrheit zu rufen. (Cyrill)

28 Segnet die, die euch verfluchen; betet für die, die euch mißhandeln.

[...] Die nämlich, die ihrer eigenen Seele Schaden zufügen, es wert, daß man um sie weint, nicht daß man sie verflucht. Nichts ist nämlich verachtenswerter als eine Seele, die auf ein Verwünschungen aus ist, und nichts unreiner als eine Zunge, die Flüche ausstößt. Du bist ein Mensch: verspritze nicht Schlangengift, dann wirst du dich auch nicht in ein wildes Tier verwandeln. Der Mund ist dir nicht zum Beißen gegeben, sondern damit du die Wunden anderer heilst. Er aber befiehlt uns, die Feinde in den Rang von Freunden zu erheben, und zwar nicht in den Rang von irgendwelchen Freunden, sondern von guten Freunden, für die wir auch beten. Und darum heißt es: betet für die, die euch mißhandeln.
Die meisten aber knieen nieder und neigen das Haupt zur Erde und breiten die Hände [zum Gebet] aus, wobei sie Gott nicht für ihre eigenen Vergehen, sondern gegen ihre Feinde anrufen. Das ist aber nichts anderes als sich selbst zu durchbohren, denn wenn du den, der es verboten hat, seine Feinde zu verwünschen, darum bittest, er möge dich erhören, wenn du deine Feinde verfluchst, wie wird es da möglich sein, erhört zu werden, wenn du den, der dich erhören kann herausforderst, indem du deinen Feind vor den Augen des Königs schlägst - wenn auch nicht mit Händen, so doch mit Worten? Warum tust du das, Mensch? Du stehst da, um Verzeihung für deine Sünden zu erbitten, und zugleich nimmst du bittere Anschuldigungen in den Mund. Die Zeit des Betens und des Flehens ist doch die Zeit, Milde walten zu lassen und nicht wie wild zu toben. (Basilius der Große)

Zurecht erhebt sich jedoch die Frage, warum man bei den Propheten so viele Verwünschungen gegen die Feinde findet. Daraus erkennt man, daß sie durch ihre Verfluchungen das besangen, was noch in der Zukunft lag; nicht um [Böses] zu wünschen, [taten sie es,] sondern weil sie in ihrem Geist die Zukunft voraussahen. (Beda)

Das alte Gesetz befahl, den anderen nicht zu verletzen und, wenn wir zuerst verletzt worden sind, seinen Zorn nicht über das Maß dessen, was uns angetan wurde, hinausgehen zu lassen. Die Vollkommenheit des Gesetzes aber besteht in Christus und in seinen Geboten. Und so folgt: Wer dich auf die eine Wange schlägt, dem halte auch die andere hin. (Cyrill)

29 Dem, der dich auf die eine Wange schlägt, halt auch die andere hin, und dem, der dir den Mantel wegnimmt, laß auch das Hemd.

Wenn ein Arzt von einem Geisteskranken mit Füßen getreten wird, dann hat er nur Mitleid mit diesem und bemüht sich [umso mehr] für ihn Heilung zu finden. Und ganz ähnlich sollst du von denen denken, die etwas gegen uns haben: sie sind krank, und wir wollen nicht eher von ihnen lassen, als bis sie ihre ganze Bitterkeit ausgespieen haben; sie selber werden es dir reich danken, und Gott wird dich krönen, weil du deinen Bruder von seiner schlimmen Krankheit befreit hast. (Pseudo-Chrysostomus)

Der Herr will aber darüber hinaus noch, daß wir nicht an den Dingen hängen, daher folgt und dem, der dir den Mantel wegnimmt, laß auch das Hemd, darin zeigt sich nämlich die Tugend einer Seele, die sich ganz von der leidenschaftlichen Begierde nach Reichtümern abgewandt hat. [...] (Cyrill)

Er sagt nicht: ertrage demütig den Angriff dessen, der dir ein Unrecht tut, sondern: Handle klug und bereite dich darauf vor, das zu erdulden, was er tun will, überwinde seinen Übermut durch das Maß deiner Klugheit, damit er Respekt bekommt vor deiner herausragenden Geduld und von seinem Tun abläßt. Wenn aber einer sagt: Wie kann das denn sein? Dann schau auf Gott, der Mensch geworden ist und so viel für dich ertragen hat - wirst du dann noch fragen und zweifeln, wie es möglich ist mit der Schlechtigkeit deiner Mitknechte Nachsicht zu üben? [...] (Pseudo-Chrysostomus)

Er sagt nicht: gib dem, der dich bittet alles [was du hast], sondern gib das, was du gerechter- und ehrlicherweise geben kannst, das heißt, was weder dir noch dem anderen schadet, in dem Maß, in dem das von einem Menschen gewußt oder angenommen werden kann. Und wem du zurecht etwas, das er forderte, verweigerst, dem zeige [auch], warum das gerecht ist; und manchmal gibst du einem etwas Besseres, wenn du ihn in seinen ungerechten Forderungen korrigierst. (Augustinus, de Serm. Dom.)

Wir sündigen nicht wenig, wenn wir denen, die uns bitten, nicht nur nicht geben, sondern sie auch noch beschimpfen: Warum - so sagst du - arbeitet er nicht? Warum soll er essen, wenn er nichts tut? Aber sage mir doch: Hast du deinen Besitz durch deiner Hände Arbeit erworben? Und wenn du dich in deiner Arbeit abmühst, tust du es, damit du den anderen tadeln kannst? Wegen eines einzigen Brotes oder Hemdes nennst du ihn gierig. Du gibst nichts? Dann wirst du auch am Sieg [Christi] keinen Anteil haben! Warum bist nicht auch du barmherzig und rätst vielmehr noch denen, die es sein wollen, davon ab? Wenn wir allen ohne Unterschied spenden, sind wir immer barmherzig. Abraham beherbergte die Engel bei sich, weil er nämlich jeden [ohne Unterschied] bei sich aufnahm. Und wenn es auch ein Mörder oder ein Räuber wäre, meinst du, er ist nicht wert auch nur ein Brot zu haben? Werfen wir uns also nicht zu Richtern auf, die über andere ein strenges Urteil fällen, damit nicht uns selbst ein rigoroses Urteil trifft. (Chrysostomus)

30 Gib jedem, der dich bittet; und wenn dir jemand etwas wegnimmt, verlang es nicht zurück.

Von Gott haben wir alles empfangen, und wenn wir etwas "mein" oder "dein" nennen, so sind das nur nackte Worte: denn wenn du ein Haus deines nennst, so sagst du etwas, was der Wirklichkeit entbehrt, denn die Luft, der Boden und der Zement gehören dem Schöpfer, auch wenn du es bist, der das Haus gebaut hat. Und man darf sogar zweifeln, ob der Gebrauch [des Hauses] in deiner Hand liegt: Nicht nur wegen des Todes auch wegen des Laufs der Dinge. Deine Seele ist nicht dein Eigentum, inwiefern also gilt der [materielle] Besitz als deiner? Gott will aber, das dir das gehört, was dir für die Brüder anvertraut worden ist. Wenn du es für andere ausgibst, dann gehört es [wirklich] dir; wenn du es dagegen für dich ausgibst, um darin zu schwelgen, dann ist das, was du dein nennst, schon fremdes Eigentum geworden. Wegen der unheilvollen Begierde nach Reichtum streiten die Menschen miteinander vor Gericht; dagegen sagt Christus: Wenn dir jemand wegnimmt, was dir gehört, verlange es nicht zurück. (Chrysostomus)

31 Was ihr von anderen erwartet, das tut ebenso auch ihnen.

Wir haben ein natürliches Gesetz in uns, durch das wir erkennen, was eine Tugend und was ein Laster ist. Deshalb folgt: wie ihr wollt, das euch die Menschen tun, so tut ihnen auf gleiche Weise. Er sagt nicht: was ihr nicht wollt, daß sie tun, das tut auch ihnen nicht. Es gibt nämlich zwei Wege zur Tugend: sich vom Bösen fernzuhalten und Gutes zu tun. Letzteres will [der Herr], wobei er dadurch auch ersteres mitbedeutet. Und wenn er gesagt hätte: "Um [wahre] Menschen zu sein, müßt ihr die Tiere lieben", dann wäre das ein schwer zu erfüllendes Gebot gewesen; wenn er aber befiehlt, die Menschen zu lieben, wozu ja schon die Natur mahnt, welche Schwierigkeit liegt dann darin? Das tun ja schon die Löwen und die Wölfe, bei denen die natürliche Verwandtschaft zwangsläufig zu freundlichem Verhalten [untereinander] führt. Es zeigt sich also, daß Christus nichts anordnete, was unsere Natur übersteigt, sondern er lehrt nur, was einst unserem Gewissen eingepflanzt wurde. [...] (Chrysostomus)

32 Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden.

[...] Viele Gründe freilich gibt es, die verschiedene Arten von Liebe bewirken; die geistliche Liebe aber übertrifft sie alle, denn nichts irdisches bringt sie hervor: nicht der Nutzen, nicht eine Wohltat, nicht die Natur, nicht die Zeit, sondern vom Himmel steigt sie herab. Warum aber wunderst du dich, wenn sie keine Wohltat braucht um zu bestehen und wenn sie auch nicht durch schlimme Zufälle zugrunde geht? Ein Vater nämlich der Unrecht leidet, bricht das Band der Liebe, eine Ehefrau verläßt den Mann nach einem Streit, ein Sohn trägt schwer daran, wenn er seinen Vater vom Alter gezeichnet sieht. Doch Paulus kehrt zu denen zurück, die ihn gerade gesteinigt haben, und tut ihnen Gutes (Apg 14,19.21); Mose, der [beinahe] von den Juden gesteinigt wurde, betet für sie (Ex 17,4). Geben wir also der geistlichen Freundschaft die Ehre, denn sie ist unauflöslich. Und um die zu überzeugen, die zur Trägheit neigen, fügt [Jesus] hinzu: denn auch die Sünder lieben die, von denen sie geliebt werden; und er will damit gleichsam sagen: weil ich möchte, daß ihr mehr besitzt als diese, ermahne ich euch, nicht nur die Freunde zu lieben, sondern auch die Feinde. Denen Gutes zu tun, die einem selbst Gutes tun, das ist allen gemeinsam. [...] (Chrysostomus)

33 Und wenn ihr nur denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank erwartet ihr dafür? Das tun auch die Sünder.
34 Und wenn ihr nur denen etwas leiht, von denen ihr es zurückzubekommen hofft, welchen Dank erwartet ihr dafür? Auch die Sünder leihen Sündern in der Hoffnung, alles zurückzubekommen.
35 Ihr aber sollt eure Feinde lieben und sollt Gutes tun und leihen, auch wo ihr nichts dafür erhoffen könnt. Dann wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Söhne des Höchsten sein; denn auch er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.

Darin [daß du deine Feinde liebst] tust du dir selber mehr Gutes als jenen: jener nämlich wird von einem Mitknecht geliebt, du aber wirst Gott gleich. Es ist ein Zeichen höchster Tugend, wenn wir die, die uns schaden wollen, mit Wohltaten bedenken (darum wird hinzugefügt: ihr sollt [ihnen] Gutes tun). Wie das Wasser den feurigen Ofen löscht, so löscht die Vernunft den Zorn durch Sanftmut: was das Wasser für das Feuer ist, das sind Demut und Milde für den Zorn. Und wie Feuer nicht durch Feuer gelöscht wird, so wird auch Zorn nicht durch Zorn besänftigt. (Chrysostomus, In Genesim)

Der Mensch soll jene schädliche Sorge vermeiden, mit der er von einem Armen die Vermehrung seiner Reichtümer erwartet, indem er einen Ertrag von Kupfer und Gold fordert (also von Metallen, die ja [von Natur aus] keinen Ertrag bringen)Hier wird mit der Doppeldeutigkeit von lat. 'fructus' = Frucht, Ertrag gespielt.. (Gregor von Nyssa)

[...] Weiter mag ein Reicher sagen: Was ist das für ein Darlehen, bei dem man nicht erhofft etwas zurückzubekommen? Erwäge die Kraft dieses Wortes und bewundere die Menschlichkeit dessen, der diese Weisung gab. Wenn du einem Armen um des Herrn willen [etwas] geben willst, dann ist es Geschenk und Darlehen zugleich: Ein Geschenk, weil du nicht hoffst, es zurückzubekommen, ein Darlehen aber wegen der Hochherzigkeit des Herrn, der für das wenige, was er durch einen Armen erhält, großes zurückgibt. Darum folgt: und euer Lohn wird groß sein. Und willst du nicht den Herrscher über das All zum Schuldner haben? Oder: wenn irgendein Reicher verspricht, daß er dir die Schuld eines anderen bezahlt, dann wirst du seine Bürgschaft annehmen; daß aber Gott selbst als Bürge für die Armen auftritt, läßt du nicht zu? (Basilius der Große)

Sieh die wunderbare Natur dieses Darlehens: der eine empfängt und der andere verpflichtet sich für das Geschuldete: und er gibt dir in dieser Zeit das Hundertfache zurück, in der Zukunft aber das ewige Leben (vgl. Mt 19,29) (Chrysostomus)

Wie groß ist der Lohn der Barmherzigkeit, der den Kindern des göttlichen Erbarmens zugeeignet wird? Es folgt ja und sie werden Söhne des Höchsten heißen. Übe also Barmherzigkeit, damit du Gnade verdienst. Die Freundlichkeit Gottes steht weit offen: es regnet über die Undankbaren, den Bösen verweigert die fruchtbare Erde nicht das Gedeihen. [...] (Ambrosius)

36 Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist!

Groß ist der Lohn der Güte: diese Tugend nämlich macht uns Gott gleich und prägt unseren Seelen gleichsam ein Zeichen der höheren Natur ein. (Cyrill)

Wir wollen also in Anbetracht der Wohltaten Gottes das Gute nicht tun, damit es die Menschen sehen, sondern damit Gott es sieht, wie wir den Lohn dafür nicht von den Menschen sondern von Gott erhalten wollen. (Athanasius)

37 Richtet nicht, dann werdet auch ihr nicht gerichtet werden. Verurteilt nicht, dann werdet auch ihr nicht verurteilt werden. Erlaßt einander die Schuld, dann wird auch euch die Schuld erlassen werden.
38 Gebt, dann wird auch euch gegeben werden. In reichem, vollem, gehäuftem, überfließendem Maß wird man euch beschenken; denn nach dem Maß, mit dem ihr meßt und zuteilt, wird auch euch zugeteilt werden.

Alles was [der Herr] über den Umgang mit den Feinden aufgetragen hat faßt er in dem einen kurzen Satz zusammen: Vergebt, und euch wird vergeben werden; gebt, und euch wird gegeben werden. Darin befiehlt er uns erlittenes Unrecht zu verzeihen und Gutes zu tun, damit auch uns die Sünden vergeben werden und das ewige Leben gegeben wird. (Beda)

Es heißt aber [in reichem ... Maß] werden sie euch beschenkenSo die wörtliche Übersetzung aus dem Griechischen anstelle des 'man' der Einheitsübersetzung., denn durch die Verdienste jener, denen sie auch nur einen Becher frisches Wasser gegeben haben, weil sie Jünger sind, (Mt 10,42) werden sie für würdig befunden, den himmlischen Lohn zu empfangen. (Augustinus, De quaest. Evang.)

Das Wort erklärt auch der Apostel, wenn er sagt: Wer kärglich sät, das heißt, nur mäßig und mit geiziger Hand, der wird auch kärglich ernten, das heißt, nicht reichlich; wer aber reichlich sät, der wird reichlich ernten (2 Kor 9,6), das heißt, in Hülle und Fülle. Wenn einer aber [gar] nichts hat, dann sündigt er nicht, wenn er nicht so handelt: mit dem nämlich, was er hat, wird er [von Gott] angenommen, nicht mit dem, was ihm fehlt. (Cyrill)

 
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